Das große Wissen und die Erfahrungen der Teilnehmer*innen haben zu einem intensiven und spannenden Austausch mit den Wissenschaftler*innen geführt. Das sechstägige Seminar hat sich besonders mit der Lebensrealität von Menschen auseinandergesetzt, die von Armut betroffen sind. Dabei sprechen wir laut Tiroler Landesstatistik von ca. 20 % der Tiroler Bevölkerung, was einer Zahl von ca. 150.000 Einwohner*innen entspricht. Von denen fallen wiederum 40.000 Menschen in die Definition von „working poor“. Bei Working Poor handelt es sich um Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die im letzten Jahr mehr als sechs Monate Teil- oder Vollzeit beschäftigt waren und deren äquivalisiertes Haushaltseinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Am stärksten von Armutsgefährdung betroffen sind dabei Alleinerzieher*innen und Personen in Singlehaushalten. Es bestehen innerhalb Tirols auch Zusammenhänge zur Beschäftigung in bestimmten Branchen (Handel und Gastronomie sind etwa besonders betroffen) oder zum Migrationsthema. Vielen Working Poor ist außerdem gemein, dass sie sehr gute Coping Strategien entwickelt haben, die jedoch bei Krisensituationen (Scheidung, Krankheiten, Verschuldung) sehr oft zusammenbrechen, womit es dann schwer ist, wieder herauszukommen.
Bei den Diskussionen der Teilnehmer*innen mit den Wissenschaftler*innen hat sich gezeigt, dass die Expert*innen die Armut anhand von Unterstützungsleistungen definieren, die betroffenen Personen jedoch von ihren Ausgaben sprechen. Darüber hinaus sind die Coping-Strategien oftmals so stark, dass die Wissenschaftler*innen nur schwer hinter die Fassade blicken können. Die Teilnehmer*innen haben in ihrem Feedback auch besonders auf das Problem hingewiesen, dass gerade Fortbildungsmaßnahmen in einer Krisensituation mit einer stark belasteten Person kaum positive Auswirkung haben. Die individuelle und schnelle Hilfe und eine nachhaltige Strategie, systematisch niedrige Löhne auch durch gesetzliche Regelungen zu heben, wären zwei Schritte in die richtige Richtung. An diesem Beispiel sieht man, wie wichtig es ist, gemeinsam an einem Tisch miteinander zu sprechen um die verschiedenen Sichtweisen zu verstehen. Daher haben die Vernetzungsgespräche nicht nur innerhalb der Gruppe, sondern besonders auch mit den Expert*innen dazu geführt, dass man sich in den nächsten Monaten und Jahren die Kooperation verstärken wird, um gemeinsame Forschungs- und Transferstrategien zu entwickeln. Denn Armut bedeutet letztlich, an der Verwirklichung seiner Möglichkeiten – und oft schon am Verfolgen – gehindert zu werden. Und die schlimmste Armut ist die, bei der man nicht einmal mehr zu träumen wagt.
(Elisabeth Thompson/Andreas Exenberger)