Per Zufall, erinnert sich Peter Ladurner vom Institut für Zoologie, entdeckten die Forscher Mitte der 1990er Jahre an der Adria kleine Würmer im Sand, gerade mal 1,3 Millimeter groß. 2005 beschrieben sie diesen Plattwurm als neue Art und gaben ihm den Namen Macrostomum lignano. Ladurner widmet sich speziell den Klebefähigkeiten dieses Plattwurms, mit dem Ziel einen biomimetischen Klebstoff zu entwickeln. Von seinen Vorteilen ist der Zoologe überzeugt: Klebstoffe von Plattwürmern, Muscheln, Manteltieren etc. haften sehr gut, sind nicht giftig, nicht karzinogen, gewebekompatibel und heizen sich nicht auf. Außerdem kleben sie auch im Salzwasser, das der menschlichen Körperflüssigkeit ähnelt. Ideal also für einen Einsatz in der Medizin. Erstmals konnten Forscherinnen und Forscher der Uni Innsbruck aus dem Team von Peter Ladurner, Julia Wunderer, die mittlerweile in den Niederlanden arbeitet, Birgit Lengerer, die im Rahmen eines Schrödinger-Programms des FWF derzeit an der Universität Mons in Belgien tätig ist und Robert Pjeta, PhD Student am Institut für Zoologie, in einem Modell den Klebemechanismus des Macrostomum lignano beschreiben. An der 0,1 Millimeter großen Schwanzplatte haben sie 130 Klebeorgane identifiziert, die jeweils aus drei Zellen bestehen: eine modifizierte Hautzelle sowie eine Klebe- und eine Loslöszelle, die beide Vesikel mit Kleberflüssigkeit bzw. Lösemittel enthalten. „Aufgrund der geringen Größe ist es nicht möglich, den Kleber zu sammeln und seine Proteine zu analysieren“, sagt Ladurner, „deshalb wählten wir einen molekularbiologischen Ansatz.“
Klebeorgane & Klebeproteine
Als erster Schritt wurden alle Gene des Wurms sequenziert, dann jene des vorderen Teils und von der Gesamtsumme subtrahiert. Übrig blieben etwas mehr als 300 Gene, die nur am Hinterende vorkommen. „Dann suchten wir die Zellen, in denen diese Gene eingeschaltet sind“, erläutert der Zoologe den nächsten Schritt. Es zeigte sich, dass 26 Gene in den Klebeorganen aktiv sind, nach zwei Jahren harter Arbeit konnte die Zahl auf zwei Gene, die dort die Proteine Mlig-ap1 und 2 kodieren, reduziert werden. Unklar ist noch, welcher Teil des 15.000 Aminosäuren umfassenden Proteins wirklich für das Kleben zuständig ist. „Die Idee wäre, diese Teile des Proteins herauszunehmen, zu vermehren und auf einen Träger aufzubringen“, beschreibt Ladurner den Weg zu einem möglichen biomimetischen Kleber. Die Proteine Mlig-ap1 und 2 hat Ladurner noch in keinem anderen Plattwurm gefunden, daher will er in einem aktuellen FWF-Projekt mit den entwickelten Methoden den Kleber von 20 Plattwurm-Arten identifizieren – von Exemplaren, die im Meer heftiger Brandung ausgesetzt sind, über Plattwürmer, die im Süßwasser vorkommen, bis hin zu einer Art, die sich parasitär auf Fischoberflächen festklebt.
Kleines Multitalent
Der kleine Bewohner der Gezeitenzone überrascht mit weiteren interessanten Eigenschaften – wird er etwa zerschnipselt, wächst das Hinterende in kurzer Zeit wieder nach. In den letzten Jahren hat Ladurner mit seinem Team vom Institut für Zoologie im Rahmen mehrerer von FWF, ÖAW sowie den Ländern Tirol und Südtirol geförderten Projekten zahlreiche Methoden entwickelt, um moderne Untersuchungen an dem Plattwurm durchführen zu können. Über die EU-Cost-Action-Plattform zur Erforschung der Bioadhäsion kam es auch zur Zusammenarbeit mit ausländischen Kollegen. Thomas Ederth von der schwedischen Linköpings Universitet etwa half, die Oberflächen, auf denen der Klebstoff haftet bzw. nicht haftet, zu bestimmen. In der Zwischenzeit hat sich Macrostomum lignano als Modellorganismus etabliert, mit dem international an Themen wie Stammzellen, Altern, Regeneration und Evolution geforscht wird.
(Quelle: Scilog)