Jüngst haben Simon Laimer vom Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck und Christoph Perathoner, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Universität Bozen, eine hochkarätig besetzte Tagung an der Innsbrucker Alma Mater veranstaltet, die als Diskussionsbeitrag für den laufenden Verkehrsgipfel-Prozess gesehen werden darf. Im Frühling soll nämlich der nächste Verkehrsgipfel genau in Innsbruck stattfinden. Neben 22 hervorragenden Referentinnen und Referenten fand sich auch eine beachtliche Zahl fachkundiger Teilnehmer ein. Dem bearbeiteten Thema kommt für die gesamte Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino besondere Bedeutung und Aktualität zu. Wie Rektor Tilmann Märk und Dekan Christian Markl in ihren einleitenden Botschaften anerkennend hervorhoben, war die Veranstaltung besonders durch ihren interdisziplinären Ansatz geprägt, wurde doch nachhaltige Verkehrspolitik ebenso wie die Transportwirtschaft, neue technische Lösungen und fundierte rechtliche Expertise einbezogen.
Anstöße aus der Politik
Unter der Moderation von Stephanie Jicha (Uni Innsbruck, Landtagsvizepräsidentin) haben Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe, die den Aspekt des Gesundheitsschutzes besonders betont hat, und auch Florian Mussner, Südtiroler Landesrat a.D., zum Brennerverkehrsgipfel-Prozess das Erfordernis des gemeinsamen Vorgehens auf regionaler, aber auch auf nationalstaatlicher und europäischer Ebene in den Mittelpunkt gestellt. Christoph Walser, Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer, hat die dringende Notwendigkeit weiterreichender Investitionen in die Infrastruktur für das Gelingen der Verkehrsverlagerung auf die Schiene hervorgehoben. Hermann Gahr, Abgeordneter zum Nationalrat, forderte neue wirtschaftspolitische Schritte in der Bahnlogistik für den Güterverkehr. Renate Gebhard, Abgeordnete zum italienischen Parlament, betonte das Erfordernis einer gemeinsamen Strategie der Euregio-Länder mit dem Ziel einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für den Verkehr. Herbert Dorfmann, Mitglied des Europäischen Parlaments, gab einen sehr bildhaften Überblick über die gegenwärtig im Europäischen Parlament laufenden Diskussionen für ein Paket an neuen vereinheitlichten Regelungen.
Anregungen aus Technik und Wirtschaft
Die besondere Bedeutung des Brennerbasistunnel-Projekts (BBT) für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung in der Region, aber auch für die europäische Integration hat Konrad Bergmeister, Vorstand der BBT-Gesellschaft, herausgestrichen. Neben den Zulaufstrecken zum BBT oder Verladeterminals wird, so Bergmeister, auch die Planung der Logistikketten („von der Produktion zum Kunden“) von großer Bedeutung sein. Der BBT wird eine ganz neue Mobilitätssituation in der Europaregion zur Folge haben, der mit neuen Verkehrslösungen begegnet werden muss. In diesem Zusammenhang präsentierte Helmuth Moroder konkrete Verkehrsvisionen wie die Dolomitenbahn von Bozen nach Cortina und weiter nach Venedig, die Überetscher Bahn oder die Verbindung der Vinschgerbahn mit der Schweiz. Eine höchst innovative technische Lösung für minutenschnelle Verladung von LKW auf die Bahn stellte Hans-Jürgen Weidemann, Vorstandsvorsitzender CargoBeamer AG aus Leipzip, vor. Dieses System, das dem Prinzip des Ein- und Aussteigens von Passagieren bei U-Bahnen folgt, könnte eine konkrete Lösung zur Entlastung der Autobahn darstellen, die auch im Rahmen des Brennerverkehrsgipfels besprochen werden sollte. Erik Staebe von der Deutschen Bahn AG hat hingegen grundlegende Fragen der grenzüberschreitenden Kooperation im Eisenbahnverkehr zur Diskussion gestellt.
Rechtswissenschaftliche Analysen
In dem von Bernhard Rudisch (Innsbruck) moderierten rechtswissenschaftlichen Teil des Kongresses analysierte Christoph Perathoner die Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts im Transport- und Verkehrsrecht, während Simon Laimer jene besonderen Fragen behandelte, die bei grenzüberschreitenden Beförderungen auftreten, bei denen die transportierten Güter beispielsweise vom LKW auf die Bahn umgeladen werden. Thomas Koller von der Universität Bern hat spezifische Probleme der Vertragsgestaltung bei internationalen Bahntransporten diskutiert. Bernhard A. Koch von der Universität Innsbruck und Mitglied der Expert Group on Liability and New Technologies der EU Kommission hat hingegen über haftungsrechtliche Herausforderungen des automatisierten Fahrens referiert. Die heiß diskutierte Frage der Luftreinhaltung durch Fahrverbote in den Städten war das Thema von Nicolas Raschauer von der Universität Liechtenstein.
Podiumsdiskussion von Vertreterinnen und Vertretern der Transportwirtschaft
Ein besonderes Highlight bot abschließend eine Podiumsdiskussion von Vertreter/innen aus der Transportwirtschaft. Klaus Garstenauer, Leiter des Nah- und Regionalverkehr der ÖBB, betonte, dass sich die wirtschaftliche Integration der Euregio Tirol auch im grenzüberschreitenden Nah- und Regionalverkehr zeige, den die ÖBB gemeinsam mit ihren Partnern weiterentwickeln wollen. Es brauche jedenfalls erweiterte rechtliche Grundlagen für die betriebliche Interoperabilität, ganz besonders für den BBT, der keinen „klassischen Grenzbahnhof“ mehr kennt. Astrid Huez, Unternehmerin (Fa. Alpentrans logistics) und Präsidentin des Konsortium TransOpt Logistic, warnte davor, dass der BBT vor allem für kleinere Transportunternehmen und allgemein für in Südtirol produzierende Unternehmen einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bedeuten könne. Als Gegenmaßnahme sprach sie sich für den Bau eines Güterverladeterminals in Südtirol aus, der für die wirtschaftliche Standortentwicklung der gesamten Region nützlich sei und die Reduzierung des Straßentransports auf der Brennerachse zur Folge haben würde. Alexander Jug, Geschäftsführer des Verkehrsverbund Tirol, präsentierte seine Vision für die Einführung des Stundentakts im ÖPNV ohne Umstieg am Brenner ab 2020. In besonderer Weise führte er auch die Chancen an, die in der Digitalisierung, etwa im Bereich der Echtzeit-Fahrplaninformation, liegen würden. Marco Kampp, Leiter des internationalen Fernverkehrs der Deutschen Bahn und CEO der DB Bahn Italia, führte aus, dass im europäischen Eisenbahnnetz zum Beispiel vier verschiedene Stromsysteme und fast zwanzig verschiedene Signalsysteme zur Anwendung kommen. Dies sei ein Hemmnis für den Fernverkehr in Europa. Er forderte deshalb auf, weiterhin aktiv an der Harmonisierung für gemeinsame europäische Standards zu arbeiten.
(Simon Laimer)