Anita Ziegerhofer führt zunächst mit der Frage „Was verstehen wir unter der Europaidee?“ in die Thematik ein. Allgemein wird darunter die Vision verstanden, die europäischen Staaten zu einem Staatenbund zu vereinen. Das Denkmuster, das sich dahinter verbirgt, erinnert an die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika, weshalb dieses Konzept einer europäischen Föderation auch unter der Bezeichnung „ Vereinige Staaten von Europa“ firmiert. Die ersten Visionen einer europäischen Vereinigungsidee stammen bereits aus dem 14. Jahrhundert von Pierre Dubois (1255–1312). Hier gibt es bereits Denkansätze, die eine supranationale Föderation der europäischen Staaten als Endpunkt sieht.
Die Idee „Pan-Europa“
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894–1972) begründete 1923 die Pan-Europa-Bewegung. Aufgrund der starken Anspannung in Europa, das unter den Defiziten des Systems der Pariser Vororte-Verträge zu leiden hatte, machte sich in Europa ein gewisser Pessimismus breit, der auf dem Gefühl beruhte, dass Europa seine historische Vorreiterrolle an die Vereinigten Staaten verlieren könnte. Coudenhove-Kalergi mochte nicht nur eine Vision andenken, er wollte eine Bewegung ins Leben rufen – eine Massenbewegung musste begründet werden, um sich gegen die Wirtschaftsgroßmacht der USA und gegen die Bedrohung des Bolschewismus aus Russland zur Wehr zu setzen, und dies konnte in Europa nur gemeinsam erreicht werden.
„Together we are strong“
Die Gründung Pan-Europas sollte in drei Schritten erfolgen. Nach einer Pan-Europa-Konferenz sollten vertragliche Regelungen getroffen werden, Schieds- und Garantie-, sowie Zollverträge. Diese Schritte sollten schließlich in der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa gipfeln, mit einer Verfassung nach amerikanischem und schweizerischem Vorbild.
Woran scheiterte letzliche Pan-Europa? Die Bewegung stand im klaren Gegensatz zur Denkweise des Nationalsozialismus und wurde im Deutschen Reich verboten. Eine Vereinigung der europäischen Staaten in der politisch angespannten Situation seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Berlin nicht mehr möglich. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg keimte in einer Zeit der europäischen Annäherung die Pan-Europa-Bewegung wieder auf.
Von der Vision zur Verwirklichung
Bereits 1946 sprach sich Winston Churchill für die Idee eines vereinten Europas mit Deutschland und Frankreich – allerdings ohne Großbritannien – aus. 1952 erfüllte sich diese Idee durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Vorgängerinstitution der Europäischen Gemeinschaft, aus der später die heutige Europäische Union hervorging.
Eierschwammerl statt Pfifferlinge
Für Österreich führte der Weg in die heutige EU über einen Sonderweg. Aufgrund der Neutralität konnte der Organisation 1952 nicht beigetreten werden, dafür aber der europäischen Freihandelszone (EFTA) und dem Europarat. Erst 1985 begann der Weg Österreichs in die Europäische Gemeinschaft. 1995 wurde Österreich nach mehrjährigen Verhandlungen Mitglied der EG. Aber auch hier finden wir wieder eine Besonderheit, die österreichische Eigenheiten freilich ohne größere Bedeutung unterstreicht. „Wichtige“ Begriffe der österreichischen Sprach-Identität wie „Eierschwammerl“ oder „Topfen“ durften beibehalten werden. Ein kleiner Funken Individualität in einem sonst sehr klaren Regelwerk für die Mitgliedsstaaten, die sich an einen gewissen Regel-Konsens zu halten haben. Kein Wunder also, dass 20 Jahre nach dem Beitritt die Stimmung in Österreich gegenüber der EU, dessen Bestandteil man mittlerweile ist, nach wie vor eindeutig positiv ist.
(Veronika Klein)