Es gehört inzwischen dazu, dass wenigstens eine Frau im Vorstand vertreten ist. Wenn Unternehmen über die Neuberufung weiblicher Vorstandsmitglieder berichten, fällt auf, dass Frauen häufig für das Personalressort bestellt werden – selten für Finanzen oder Vertrieb verantwortlich sind. Damit führen viele Unternehmen das traditionelle Muster der Zuständigkeitsverteilung von Frauen und Männern aus nachgeordneten Managementebenen fort. Wie aber kommt es dazu, dass Frauen tendenziell das Personalressort übertragen wird? Forscherinnen der Universität Innsbruck und der Universität Salzburg sind dieser Frage nachgegangen auf Basis von Daten zu Vorstandsgremien aus 172 Unternehmen. Ihre Studie legt nahe: Wo der gesellschaftliche Druck hoch ist, im Vorstand Genderdiversität zu fördern, berufen Unternehmen Frauen systematisch als Personalvorstand. Und sofern Unternehmen bislang kein eigenes Personalressort haben, richten sie dieses Ressort oftmals mit der Berufung des weiblichen Vorstandsmitglieds erstmals ein.
Untersucht haben die Forscherinnen aktuelle Vorstandsbesetzungen von Unternehmen aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Schweden und Spanien sowie relevante Rahmenbedingungen für die Vorstandsberufung von Frauen der jeweiligen Länder wie Gesetzgebung, Druck der Öffentlichkeit und Verfügbarkeit qualifizierter Managerinnen. Die Studie zeigt, dass Frauen, die zum Personalvorstand berufen werden, häufig aus dem eigenen Unternehmen rekrutiert werden und außerdem bereits in der Personalfunktion tätig waren. Diese Besetzungspolitik ist für Vorstandspositionen durchaus ungewöhnlich, erläutert Mitautorin Univ.-Prof. Dr. Julia Brandl: „Bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern wird normalerweise auf das unternehmensexterne Netzwerk der KandidatInnen geachtet, das Fachwissen für die Vorstandsfunktion hingegen eignet man (sic!) sich im Zuge der Einarbeitung in das Ressort an.“
Dass weibliche Vorstandsmitglieder entgegen dem verbreitenden Muster für Vorstandsberufungen intern aufsteigen und ihre bisherige Managementfunktion weiterführen, erklären die Verfasserinnen der Studie so: Die Berufung erscheint risikominimierend in Bezug auf die Leistung der Person, da fachliches Vorwissen bereits gegeben ist bzw. nach landläufiger Meinung Frauen die Aufgaben der Personalfunktion mit ihren „natürlichen“ Fähigkeiten bewältigen können. Mit einer Kandidatin aus dem eigenen Haus können Unternehmen außerdem sichtbar machen, dass ihre eigenen Anstrengungen erfolgreich sind, Frauen für den Vorstand zu qualifizieren.
Im Ergebnis bestätigt die Studie, dass Druck auf Unternehmen zur Berufung von Frauen in den Vorstand wirksam ist. Sie zeigt allerdings auch, dass Unternehmen ihren Spielraum unter diesem Druck so nutzen, dass die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern im Management bestehen bleibt.
Links
- The HR lady is on board: Untangling the link between HRM's feminine image and HRM's board representation. Astrid Reichel, Isabella Scheibmayr, Julia Brandl. Human Resource Management Journal 2019
- Arbeitsbereich HRM & Employment Relations am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck
- HRM Gruppe an der Universität Salzburg