Erdbeben Molenaar
Wissenschaftler und Schiffsbesatzung warten auf die Ankunft eines neuen Sedimentkerns an Bord des Forschungsschiffes RV Sonne im Jahr 2016.

Wider­sprüch­licher Effekt von Erd­be­ben auf Tief­see­hänge

Erdbeben und Tsunamis können neben ihren katastrophalen Auswirkungen auf Küstenregionen große Mengen an Sedimenten von Tiefseehängen in Meeresgräben verlagern. Geologen konnten nun erstmals eine durch Erdbeben ausgelöste Erosion von Oberflächensedimenten an einem Tiefseehang in der Region des großen Tohoku-oki-Erdbebens 2011 nachweisen.

Bisherige Studien sind davon ausgegangen, dass der Sedimenttransport durch Erdbeben nur in Form von meterdicken Sedimentpaketen erfolgt. Eine kürzlich in „Geophysical Research Letters“ erschienene Studie, die unter der Leitung Innsbrucker Geologen entstanden ist, zeigt nun erstmals auch oberflächliche von Erdbeben ausgelöste Sedimentverfrachtungen. Auf den ersten Blick mögen ein paar fehlende Zentimeter Sediment nicht sehr spektakulär sein. Die Tatsache jedoch, dass eine riesige Fläche davon betroffen ist, hat enorme Auswirkungen auf alle Studien, die auf der Remobilisierung von marinen Sedimenten durch Erdbeben basieren: so beispielsweise die Erforschung prähistorischer Erdbeben, die Ablagerung von organischem Kohlenstoff und sogar die potenzielle Tsunami-Gefahr durch Erdrutsche. „Die oberflächliche Verfrachtung von Sedimenten wurde bisher auf der Grundlage von Studien über Sedimentablagerungen in der Tiefsee prognostiziert. Um diesen wichtigen Prozess wirklich zu verstehen, ist es jedoch entscheidend, den Ort zu erforschen, an dem die Verfrachtung tatsächlich stattfindet, nämlich Tiefseehänge“, erklärt Jasper Moernaut, Assistenzprofessor am Institut für Geologie. 

Erstmals Bohrkern von Tiefseehang analysiert

Dazu haben die Forscher Bohrkerne von einem Tiefseehang vor der Küste Japans entnommen und ihn mittels der Kombination chemischer sowie physikalische Verfahren analysiert. Dabei konnten sie kleine, lediglich zentimetergroße Unterbrechungen im Sediment erkennen. Spätere Datierungen zeigten dann die Ursachen dieser Lücken. „Wir waren ziemlich erstaunt, als wir feststellten, dass in diesem kleinen, 15 cm langen Abschnitt des Sedimentkerns nicht nur eine, sondern drei Lücken vorhanden waren“, sagt Ariana Molenaar, Doktorandin am Institut für Geologie. „Als wir diese drei Unterbrechungen datierten, fanden wir heraus, dass sie mit den drei stärksten regionalen Erdbeben zusammenhängen, was darauf hindeutet, dass es sich um einen systematisch wiederholenden Prozess handelt.“

Zum ersten Mal wurden Bohrkerne von Tiefseehängen auf diese Art und Weise untersucht. „Ein Hang, an dem Erosion stattfindet, ist sicherlich der letzte Ort, an dem man einen Sedimentkern nehmen würde. Unsere Pilotstudie ist die erste, die einen Tiefseehang analysiert“, sagt Michael Strasser, Professor am Institut für Geologie. Das Forschungsteam wendet seine Strategie nun in verschiedenen Bereichen - auch in Seen - an, um das Verständnis für diesen neu entdeckten Prozess weiter zu verbessern.

Gegensätzlicher Effekt auf Unterwasserhänge

Neben dem Abtragen der obersten Sedimentschichten haben aber Erdbeben noch eine weitere unerwartete Wirkung auf Tiefseehänge: Die verbleibenden Sedimente werden stärker. Diese sogenannte „seismische Verstärkung“ entsteht durch die Verdichtung von Sedimenten durch starkes Beben. „Im Ozean führt dies zu sehr stabilen Hangabschnitten und damit zur Abwesenheit von Erdrutschen an Tiefseehängen“, sagt Jasper Moernaut. Die gute Nachricht ist also, dass - trotz des häufigen Auftretens starker Erdbeben an aktiven Meeresrändern - Tsunamis, die durch unterseeische Erdrutsche ausgelöst werden, in diesen Regionen relativ selten sind.

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