Oriol Romero-Isart, Lukas Novotny, Markus Aspelmeyer und Romain Quidant
v.l.: Oriol Romero-Isart, Lukas Novotny, Markus Aspelmeyer und Romain Quidant während der Vorbereitung des gemeinsamen Forschungsvorhabens.

13 Milli­onen Euro für Quan­ten-Grund­lagen­forsch­ung

Die Physiker Oriol Romero-Isart und Markus Aspelmeyer aus Innsbruck und Wien erhalten gemeinsam mit Lukas Novotny und Romain Quidant von der ETH Zürich einen der ERC Synergy Grants. Gemeinsam werden sie eines der grundlegendsten Prinzipien der Quantenphysik bis an die äußerste Grenze treiben, indem sie einen Festkörper aus Milliarden von Atomen an zwei Orten gleichzeitig positionieren.

Selbst mehr als 100 Jahren nach ihrer Entdeckung scheinen die Gesetze der Quantenphysik manchmal im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand zu stehen. Am prominentesten zeigt sich dies am Superpositionsprinzip, das besagt, dass sich ein einzelnes Objekt so verhalten kann, als ob es sich an mehreren Orten gleichzeitig befindet. Dieses Verhalten wurde in wegweisenden Experimenten bestätigt: auf der Ebene von Elementarteilchen, Atomen und sogar Molekülen, die Tausende von Atomen enthalten. Aber gilt das Prinzip auch für den makroskopischen Bereich, beispielsweise für Festkörper, die mit dem bloßen Auge sichtbar sind? Bei der Beantwortung dieser Frage will das österreichisch-schweizerische Forschungsteam mit Unterstützung eines Synergy Grant der EU nun einen großen Schritt weiterkommen. Die größten bisher im Quantenregime untersuchten Objekte sind organische Moleküle. „Wir wollen nun Nanoteilchen, die aus Milliarden von Atomen bestehen, in einen Überlagerungszustand versetzen“, schildert Projektkoordinator Oriol Romero-Isart vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften das gemeinsame Ziel.

Ziel gemeinsam erreichen

In den letzten Jahren haben die vier Forscher in einzelnen ERC-Projekten neue experimentelle und theoretische Techniken entwickelt, um solche Nanoteilchen im Quantenregime schweben zu lassen und zu kontrollieren. „Wir kombinieren unser Know-how in den Grundlagenwissenschaften, der Nanotechnologie und den Ingenieurwissenschaften, um einen radikal neuen Zugang zu dieser Frage zu schaffen“, sagt der Experimentalphysiker Markus Aspelmeyer von der Universität Wien, der auch wissenschaftlicher Direktor am IQOQI Wien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist. Gemeinsam werden sie die Nanoteilchen im Hochvakuum untersuchen, wobei deren Schwerpunktbewegung auf nahezu den absoluten Nullpunkt abgekühlt wird und sie in einer Kombination aus optischen, elektrischen und magnetischen Feldern schweben und manipuliert werden. „Mit diesem Projekt gehen wir an die Grenzen des heute technisch Machbaren“, fügt Romero-Isart hinzu.

Seit 2012 fördert der Europäische Forschungsrat (ERC) mit den Synergy Grants eben solche Forschungsprojekte, in denen Forschende verschiedener Fachgebiete gemeinsam an der Erreichung eines Ziels arbeiten, das für die Wissenschaft bisher außer Reichweite lang. Nach einem mehrstufigen Begutachtungsverfahren und im Wettbewerb mit hunderten anderen Projekten, fördert der ERC nun das Forschungsvorhaben Q-Xtreme der vier Physiker in Innsbruck, Wien und Zürich.

Potential für Quantensensoren

Quantensuperpositionen sind sehr fragil und empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie Trägheit und Gravitationskräften. Mit den Experimenten wird es daher auch möglich sein, den Einfluss der Schwerkraft auf derart extreme Quantenzustände zu analysieren. Darüber hinaus ermöglichen sie die Entwicklung empfindlicher Messinstrumente für Beschleunigung, Rotation oder Schwerkraft. Die Experimente werden an der Universität Wien und an der ETH Zürich durchgeführt; die Gruppe von Oriol Romero-Isart in Innsbruck wird das Projekt mit theoretischen Arbeiten unterstützen.

Es gibt auch einen historischen Aspekt: Der österreichische Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger machte sich in seinem berühmten Gedankenexperiment, das heute als „Schrödingers Katze“ bekannt ist, über die möglichen Folgen solcher „makroskopischen Überlagerungen“ lustig. „Angesichts der Tatsache, dass Schrödinger Professuren in Wien, Innsbruck und Zürich innehatte, scheint dies der geeignete Ort zu sein, um diese Experimente durchzuführen", schmunzeln Aspelmeyer und Romero-Isart.

Exzellenzprogramm

Der Europäische Forschungsrat unterstützt mit den Synergy Grants wegweisende Pionierforschung von Teams aus zwei bis vier herausragenden Forscherinnen und Forschern. Wissenschaftliche Exzellenz ist dabei das alleinige Kriterium für die Bewertung und Auswahl der Projekte. Die Projekte sollen zu Entdeckungen an den Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen und zu substantiellen Fortschritten an den Grenzen des Wissens führen. Abhängig vom jeweiligen Forschungsvorhaben belaufen sich ERC Synergy Grants auf bis zu 14 Millionen Euro für eine Laufzeit von bis zu sechs Jahren.

Über den ERC

Der Europäische Forschungsrat, der 2007 von der Europäischen Union eingerichtet wurde, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Jedes Jahr wählt und finanziert er die besten und talentiertesten Forscherinnen und Forscher aller Nationalitäten und jeden Alters aus, um Projekte in Europa durchzuführen. Der ERC verfügt über drei Förderprogramme für einzelne Wissenschaftler - Starting Grants, Consolidator Grants und Advanced Grants - und Synergy Grants für kleine Gruppen exzellenter Forscher.

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