Terpenoide gehören zu den am häufigsten in der Natur vorkommenden Stoffen. Über 20.000 unterschiedliche Mitglieder in der großen Klasse der Terpene sind bisher bekannt. Thomas Magauer geht allerdings von einer weit höheren Zahl an noch bisher unbekannten Verbindungen aus. Verschiedene Ringgrößen, Verzweigungen oder die unterschiedliche Anzahl der Ringe bedingen die enorme Variation in dieser Klasse, für die sich der Experte für Organische Chemie besonders interessiert. Bedingt durch das Ringsystem haben alle Variationen andere Eigenschaften. „Ein bekanntes Beispiel aus der Klasse der Terpene ist Paclitaxel, das am Markt erhältlich ist und als Pharmazeutika bereits in der Krebstherapie eingesetzt wird. Auch zu den Terpenen zählt das in Zuckerln beliebte Menthol, oder Limonen, das vor allem in der Aromaindustrie häufig für seinen Zitronen- oder Orangenduft Verwendung findet“, so Magauer, der anhand dieser Beispiele die Vielseitigkeit und die unterschiedlichen Eigenschaften von Molekülen dieser Klasse veranschaulicht.
Die Natur steht Kopf
Die bereits bekannten 20.000 Verbindungen in der Klasse der Terpene werden in der Natur von verschiedenen Organismen, wie etwa von Pflanzen, hergestellt. „Die Herstellung in der Natur basiert auf der Verknüpfung einzelner fünfgliedriger Kohlenstoff-Bausteine zu langen Ketten. Die nachfolgende enzymatische Umsetzung führt zu einer imposanten Kaskadenzyklisierung, welche komplexe polyzyklische molekulare Strukturen liefert. Die Biosynthese basiert ausschließlich auf einfachen Kohlenstoff-Bausteinen. Heteroatome, wie zum Beispiel Sauerstoff, werden erst während der Post-Funktionalisierung eingebaut“, erläutert der Chemiker. Welche Eigenschaft jedes einzelne der zu den Terpenen zählende Molekül hat, hängt von Kleinigkeiten ab, wie etwa den Ringgrößen. In der Natur werden Ketten aus Kohlenwasserstoff gebildet, die später zu Ringen umgewandelt werden. Erst dann wird den Ringen, durch Enzyme, sehr selektiv an unterschiedlichen Stellen Sauerstoff hinzugefügt, wodurch diese Vielzahl an Eigenschaften entsteht. Thomas Magauer und sein Team haben diese Vorgänge untersucht und im Labor den natürlichen Prozess nachgestellt. „In unseren Versuchen haben wir die Vorgehensweise der Natur umgedreht. Es ist uns gelungen, diese linearen Ketten aufzubauen, mit dem Unterschied, dass diese nicht nur aus Kohlenstoff, sondern auch aus Sauerstoff bestehen, den wir direkt den entstandenen Ringen hinzugefügt haben“, so der Experte für Organische Chemie. Im Labor gelingt den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dieselbe Art an Zyklisierungen, wie in der Natur. „Mit einem künstlichen Katalysator werden die Faltungen induziert und Ringstrukturen aufgebaut. Durch das direkte Hinzufügen des Sauerstoffs ist es nun möglich, auch ungewöhnliche Zyklisierungen zu realisieren, die die Natur nicht machen kann“, erläutert der Wissenschaftler. Versuche dieser Art wurden bisher schon einige unternommen. Diese führten allerdings zu dem Ergebnis, dass eine direkte Einbindung von Sauerstoff in die kohlenstoffhaltigen Ringe nicht möglich war. Dem Arbeitskreis Magauer ist es nun gelungen, sauerstoffhaltige Ketten zu erzeugen und diese analog zur einfachen Biosynthese in einer Domino-Kaskadenreaktion zu zyklisieren. Durch den selektiven Einbau der Sauerstoffatome konnten neue Zyklisierungswege realisiert und in nur einem Schritt hoch-komplexe, polyfunktionalisierte Moleküle erzeugt werden.
Neue Verbindungen
Thomas Magauer hat mit seinem Team einen innovativen Weg gefunden, um neue Strukturen in der Klasse der Terpene aufzubauen, die so in der Natur nicht vorkommen. „Die neuen Ringstrukturen können weiter als Bausteine verwendet werden. So konkurrieren wir im Labor mit der Natur, indem wir diese Verbindungen noch effizienter aufbauen. Zudem ist es auch möglich, vollständig unnatürliche Verbindungen zu bauen. Welche Eigenschaften diese neuen Verbindungen haben werden, ist aber noch ungeklärt“, so Magauer, der daran arbeitet, neue Verbindungen mit besonderen Eigenschaften, wie etwa entzündungshemmende Wirkungen, zu finden. Gemeinsam mit Andreas Köberle, Professor am Michael-Popp-Forschungsinstitut, analysiert der Chemiker diese neuen Verbindungen. Nachfolgende Modifikationen lieferten den weltweit ersten voll-synthetischen Zugang zu dem Naturstoff „Pimarandiol”. Dieser Naturstoff wurde bisher kaum biologischen Tests unterzogen und steht nun erstmals für detaillierte Screens zur Verfügung. Ausgehend von diesem Erfolg können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zukünftig das Konzept auch auf andere Mitglieder aus der Familie der Terpene anwenden.