Der Holzbau hat in Tirol eine lange Tradition und eine hohe Bedeutung. Idealer Arbeitsort also für einen Holzenthusiasten wie Philipp Dietsch. „Innsbruck bietet einen hervorragenden Nährboden für das Thema Holz. Das was wir tun, wird von der Gesellschaft verstanden und wertgeschätzt. Auch findet man hier rasch Anschluss an die Praxis“, sagt der Ingenieur und neuberufene Holzbau-Professor. Ursprünglich kommt Dietsch aus München. Dort hat er an der TU München in den vergangenen Jahren das Team Holzbau geleitet.
Mehr Vielfalt
Das Thema Holz begeistert den Bauingenieur bereits seit seiner Kindheit. „Ich war auf einer Waldorfschule, dort wird viel mit den Händen gearbeitet. Holz hat mich schon damals fasziniert“, so Dietsch. Und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Für seinen Lehr- und Forschungsauftrag in Innsbruck hat er sich klare Ziele gesetzt: „Nicht zuletzt durch die Bewegung Fridays for Future, buy local Initiativen und dem allgemeinen Streben nach mehr Nachhaltigkeit gibt es eine Rückbesinnung auf natürliche Materialien wie Holz. Das hilft natürlich auch dem Holzbau. Um ihn weiter voranzutreiben, braucht es begeisterte, gut ausgebildete junge Menschen. Diesen Auftrag nehme ich sehr ernst. Die Ergebnisse meiner Forschung sollen zu einer einfacheren Anwendung des Baustoffs Holz für Praktiker führen. Außerdem möchte ich dem Holzbau die nötige Flexibilität zurückgeben“, erklärt Dietsch. Was er damit meint, veranschaulicht er anhand eines Beispiels: „In von Pferden gezogenen Transportschlitten, wie sie früher verwendet wurden, kamen sieben verschiedene Holzarten zum Einsatz, um an jeder Stelle die optimalen Eigenschaften zu nutzen, mal elastischeres, mal härteres Holz.“ Das steht in starkem Kontrast dazu, wie aktuell im Holzbau gearbeitet wird: Überwiegend kommt Fichtenholz zum Einsatz. Auch aufgrund des Klimawandels, durch den sich der Wald verändert und Nadelholz weniger wird, muss man sich von einem Konzept, das auf nur eine Baumart setzt, lösen. Dietsch setzt auf Vielfalt, um zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen.
Denn gerade das Bauwesen ist für einen großen Prozentsatz des weltweiten CO2 Ausstoßes verantwortlich. Die Produktion von Zement und die energieaufwendige Verarbeitung von Stahl sind Beispiele dafür. Holz hingegen ist der einzige in ausreichender Menge verfügbare, nachwachsende Rohstoff. Außerdem bindet Holz CO2. Und so lange das Holz stofflich genutzt wird und nicht verbrennt oder verrottet, bleibt das CO2 auch im Holz gebunden. Häuser oder Möbel aus Holz verlängern also den Kohlenstoffspeicher aus dem Wald. Jeder Kubikmeter verbautes Holz bindet so langfristig rund eine Tonne CO2.
Holz mit Maß und Ziel
Bei all den Vorteilen, die Holz als Baustoff mit sich bringt, weist Philipp Dietsch aber darauf hin, es mit Maß und Ziel einzusetzen. „In der Holzbranche gibt es zwei Lager: Die einen befürworten es, möglichst viel Holz zu verwenden und auf den Markt zu bringen. Die anderen, und dazu zähle ich auch mich, sprechen sich für einen sorgsamen Umgang mit der Ressource aus. Holz sollte nur dort eingesetzt werden, wo es Sinn macht. Nur durch die geschickte Kombination von Materialien schaffen wir gute Bauwerke. Denn auch wenn Holz nicht endlich ist und nachwächst, sollten wir mit allen Ressourcen sparsamer umgehen und sie bewusster einsetzen“, sagt Dietsch. Dass sich Holz als Baustoff bislang noch nicht überall in großem Maßstab durchgesetzt hat, liegt vor allem an zwei Eigenschaften: Holz brennt und fault. In den vergangenen 15 Jahren war deshalb Brandschutz auch eines der Hauptthemen in der Bauforschung an und mit Holz.
Ausgezeichnete Lehre
Mit Philipp Dietsch gewinnt die Universität Innsbruck auch einen ausgezeichneten Lehrenden. Von seinen ehemaligen Studierenden wurde der Professor mehrmals mit dem Lehrepreis „Doce et Delecta“ der Ingenieurfakultät Bau-Geo-Umwelt an der TU München ausgezeichnet. 2016 erhielt er außerdem den „Preis für gute Lehre“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst. „Ich freue mich über diese Auszeichnungen. Besonders Offenheit und Fairness gegenüber meinen Studierenden sind mir sehr wichtig. Und natürlich versuche ich, meine eigene Begeisterung an sie zu übertragen. Der Vorteil meines Fachs ist es, dass ich viele Dinge visualisieren und auch Anschauungsmaterial mit in Seminare und Vorlesungen bringen kann“, sagt Philipp Dietsch. Sein erstes Semester an der Universität Innsbruck hat ihn nun vor neue Herausforderungen gestellt. Wie auch alle anderen Lehrenden musste er seine Vorlesungen und Seminare plötzlich komplett virtuell abhalten. „Ich war von Anfang an offen zu meinen Studierenden und habe ihnen gesagt, dass die Situation auch für mich neu ist. Zusätzlich zu den Online-Videos, die ich erstellt habe, gab es deshalb auch Online-Sprechstunden, die ich auch dazu genutzt habe, Feedback einzuholen, um die virtuelle Lehre zu verbessern“, sagt Dietsch.
Zur Person:
Philipp Dietsch studierte Bauingenieurwesen an der TU München und verbrachte während dieser Zeit Aufenthalte an der McGill University in Montreal sowie an der University of British Columbia in Vancouver. Nach seinem Studium nahm Philipp Dietsch eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion an der TUM an. Seine Dissertation „Einsatz und Berechnung von Schubverstärkungen für Brettschichtholzbauteile“ im Jahr 2012 schloss er mit „summa cum laude“ ab. Im Anschluss daran erfolgte die Ernennung zum Teamleiter „Holzbau“ am gleichen Lehrstuhl. Seit 1. März ist er Professor für Holzbau und Leiter des gleichnamigen Arbeitsbereichs am Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften an der Universität Innsbruck. Die Forschung von Philipp Dietsch konzentriert sich auf hybride Holzbauteile, Verstärkungen, Holzfeuchte und Langzeitverhalten sowie Robustheit und Systemverhalten. Er ist Delegierter in europäischen Normungsgremien und Vorsitzender des Gremiums „Eurocode 5 – Verstärkungen“. 2014 bis 2018 leitete er das europäische Verbundprojekt COST Action FP1402 „Basis of structural timber design – from research to standards“. Im Jahr 2019 übernahm Philipp Dietsch den Vorsitz von INTER, dem International Network on Timber Engineering Research.
Dieser Artikel ist in der Juni-2020-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen.Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).