Vielteilchenverschränkung
Vielteilchenverschränkung und deren Anwendungen sind heute ein breites Forschungsfeld.

Meilen­stein der Quan­ten­physik

Mit einer im Jahr 2000 veröffentlichten Arbeit haben Innsbrucker Physiker den Startschuss für die systematische Erforschung von Vielteilchenverschränkung und deren Anwendungen gegeben. Die Arbeit von Wolfgang Dür, Guifré Vidal und Ignacio Cirac wurde nun von der Zeitschrift Physical Review A zu einem der 26 wichtigsten Meilensteine in der 50-jährigen Geschichte der Zeitschrift gekürt.

Verschränkung ist ein einzigartiges Quantenphänomen, das kein entsprechendes Gegenstück in der klassischen Physik besitzt. Dabei spielt quantenmechanische Verschränkung eine Schlüsselrolle für das fundamentale Verständnis der Natur, ist aber auch die Grundlage für zahlreiche Anwendungen in modernen Quantentechnologien wie Quantennetzwerken, Quantenkryptographie und Quantencomputern. Verschränkung führt etwa zu seltsam anmutenden, unserer Alltagserfahrung widersprechenden Phänomenen wie der Nicht-Lokalität. Dabei verhalten sich zwei Quantenobjekte wie ein Einzelobjekt, und obwohl jedes der Teilchen für sich ein zufälliges Verhalten aufweist, sind die gefundenen Eigenschaften beider Teilchen stets perfekt korreliert - und das unabhängig davon, wie weit sie voneinander entfernt sind! So ein Verhalten lässt sich aus klassischer Sicht nicht erklären. Während Verschränkung zwischen zwei Quantenobjekten noch relativ einfach zu charakterisieren ist, wird das Verhalten und die Beschreibung von Vielteilchensystemen immer komplexer. „Ordnung in diese Komplexität zu bringen und die zentralen Elemente und Eigenschaften herauszufinden, die für das Verständnis und in weiterer Folge für mögliche Anwendungen verantwortlich sind, ist deshalb von zentraler Bedeutung“, sagt Wolfgang Dür vom Institut für Theoretische Physik. 

Erforschung von Vielteilchenverschränkung

Mit der im Jahr 2000 von ihm gemeinsam mit Guifré Vidal und Ignacio Cirac veröffentlichten Arbeit wurde der Startschuss für eine systematische Erforschung von Vielteilchenverschränkung und deren Anwendungen gegeben. „Wir haben damals Systeme, die aus drei Quantenobjekten bestehen, detailliert untersucht und zwei verschiedene Klassen von Verschränkung – mit unterschiedlichen Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten – identifiziert“, erzählt Dür. Einerseits sind die sogenannten GHZ-Zustände sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen, dafür aber für Anwendungen besonders geeignet. Die andere in der Arbeit untersuchte Klasse erhielt ihren Namen nach dem Vornamen von Erstautor Wolfgang Dür: die W-Zustände. Diese sind besonders stabil gegenüber äußeren Einflüssen wie Rauschen oder Verlust einzelner Teilchen und weisen eine besonders große Symmetrie auf, was zu anderen Anwendungsmöglichkeiten führt. In den darauffolgenden Jahren konnten sowohl GHZ-Zustände von mehreren Teilchen als auch W-Zustände in verschiedenen Experimenten, allen voran in Innsbruck, erzeugt und nachgewiesen werden. Das erste Quantenbyte, ein W-Zustand aus acht Quantenbits, wurde von der Arbeitsgruppe um Rainer Blatt hier erzeugt. 

Basis für Vielzahl von Forschungsarbeiten

Die theoretischen Eigenschaften von Vielteichen-Quantensystemen, insbesondere ihre Vielteilchenverschränkung, wurden in den vergangenen Jahren systematisch untersucht und immer besser verstanden. Aber noch heute sind sie Inhalt von zahlreichen Forschungsarbeiten, wie sie auch am Institut für Theoretische Physik in Innsbruck vorangetrieben werden. Der Artikel von Dür, Vidal und Cirac mit seinen über 2.000 Zitierungen im Web of Science war nicht nur einer der Ersten in einer Reihe von theoretischen Arbeiten, sondern auch die Basis und Motivation für zahlreiche Experimente und Untersuchungen, die nicht nur die seltsamen Eigenschaften von verschränkten Quantenzuständen illustrieren, sondern auch ihre Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen. „Trotzdem sind wir auch heute von einem vollständigen Verständnis von Vielteilchenverschränkung noch weit entfernt“, sagt Wolfgang Dür. „Und obwohl viele Anwendungen schon bekannt sind und in den nächsten Jahren technologisch umgesetzt werden sollen, verbergen sich in der Komplexität von Vielteilchen-Quantenzuständen wohl noch mehr, bisher unentdeckte Anwendungsmöglichkeiten.“ Es gibt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten also noch viel zu erforschen und zu verstehen.“

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