Moderne Quantensimulatoren bieten heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, um komplexe Quantenzustände zu präparieren und zu untersuchen. Realisiert werden sie mit ultrakalten Atomen in optischen Gittern, Rydberg-Atomen, gefangenen Ionen oder supraleitenden Quantenbits. Eine besonders faszinierende Klasse von Quantenzuständen sind topologische Materiezustände. Für deren theoretische Entdeckung wurden 2016 David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Diese Materiezustände zeichnen sich durch nichtlokale Quantenkorrelationen aus und sind besonders robust gegenüber lokalen Störungen, wie sie in Experimenten unvermeidlich auftreten. „Solche topologischen Phasen im Experiment zu identifizieren und zu charakterisieren stellt eine große Herausforderung dar“, sagen Benoît Vermersch, Jinlong Yu und Andreas Elben vom Zentrum für Quantenphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Topologische Phasen können aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften nicht durch lokale Messungen identifiziert werden. Wir entwickeln daher neue Messprotokolle, mit denen die Experimentalphysiker diese Zustände im Labor charakterisieren können.“ Für nichtwechselwirkende Systeme wurde das in den vergangenen Jahren bereits erreicht. Für wechselwirkende Systeme, die in der Zukunft auch als topologische Quantencomputern Anwendung finden könnten, war das jedoch bisher nicht möglich.
Mit zufälligen Messungen zu konkretem Ergebnis
In der Fachzeitschrift Science Advances schlagen die Physiker der Forschungsgruppe von Peter Zoller nun Protokolle vor, die die Messungen von sogenannten topologischen Invarianten ermöglichen. Diese mathematischen Ausdrücke beschreiben gemeinsame Eigenschaften topologischer Räume und ermöglichen es, wechselwirkende topologischen Zustände mit globaler Symmetrie in eindimensionalen, bosonischen Systemen vollständig zu identifizieren. „Die Idee unseres Verfahrens ist es, in einem Quantensimulator zunächst einen solchen topologischen Zustand zu präparieren. Nun werden sogenannte zufällige Messungen ausgeführt, und aus statistischen Korrelationen dieser zufälligen Messungen die topologischen Invarianten extrahiert“, erläutert Andreas Elben. Die Besonderheit der Methode ist dabei, dass die topologische Invariante zwar hochkomplexe, nichtlokale Korrelationsfunktionen sind, dennoch aber aus statistischen Korrelationen von einfachen, lokalen zufälligen Messungen extrahiert werden können. Wie bei einer kürzlich von der Arbeitsgruppe vorgestellten Methode zum Vergleich von Quantenzuständen in Computern oder Simulatoren, sind solche zufälligen Messungen heute im Experiment möglich. „Unsere Protokolle zur Messung der topologischen Invarianten sind daher in den vorhandenen experimentellen Plattformen direkt anwendbar“, sagt Benoît Vermersch.
Entwickelt wurde das Messverfahren von Andreas Elben, Jinlong Yu, Peter Zoller und Benoit Vermersch in Innsbruck in enger Zusammenarbeit mit Guanyu Zhu vom Joint Quantum Institute, Maryland, USA und IBM Research, Mohammad Hafezi (JQI Maryland) und Frank Pollmann von der TU München. Finanziell gefördert wurde die Forschung unter anderem vom Europäischen Forschungsrat, dem EU-Flagship für Quantentechnologien und der Industriellenvereinigung Tirol.