Die alpine Ameisenart T. alpestre
Die alpine Ameisenart T. alpestre ist sehr gut an das Leben in über 2000 Meter Seehöhe angepasst.

Spe­zialist für extre­men Le­bens­raum

Eine unlängst entdeckte, alpine Ameisenart fühlt sich im Hochgebirge wohl. Welche evolutionären Anpassungen dafür notwendig waren, hat ein Team um Francesco Cicconardi, Florian Steiner und Birgit Schlick-Steiner mit vergleichenden Analysen des Erbguts herausgefunden. Sie zeigen, welche molekularen Veränderungen die Besiedlung des Hochgebirges erst möglich machten.

Im Zentrum der Untersuchung der Innsbrucker Ökologen steht eine Ameisenart, die Florian Steiner und Birgit Schlick-Steiner selbst entdeckt und 2010 erstmals beschrieben haben: Tetramorium alpestre, eine Ameise, die im gesamten Alpenbogen vorkommt und einen Lebensraum im Hochgebirge bevorzugt. „T. alpestre stellt ein entscheidendes Beispiel für die evolutionäre Anpassung an kalte Umgebungen wie alpine Lebensräume dar“, erklärt Birgit Schlick-Steiner vom Institut für Ökologie. Mit einer Reihe von Methoden haben die Forscherinnen und Forscher gezeigt, welche molekularen Anpassungen diese Ameisenart durchlaufen hat, um sich an diese spezielle Umwelt anzupassen.

Vergleichende Analyse

Die alpine Ameisenart T. alpestre ist sehr gut an das Leben in über 2000 Meter Seehöhe angepasst. Für die Studie wurde das gesamte Genom von T. alpestre sequenziert und gemeinsam mit allen anderen verfügbaren Ameisengenomen analysiert. Ein Vergleich der Umweltbedingungen aller sequenzierter Ameisenarten zeigte den Wissenschaftlern, dass die Temperatur in der warmen Jahreszeit das Selektionsmerkmal darstellt. Während sich die Ameisen in der kalten Jahreszeit in ihr Nest zurückziehen und Winterruhe halten, ist die alpine Ameisenart in der Lage, auch bei relativ kühlen Sommertemperaturen zu überleben. Durch eine vergleichende genomische Analyse mit vier anderen Tetramorium-Arten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen konnten die Forscher einige Veränderungen festmachen, durch die die alpine Art sich im Laufe der Evolution an diese Umwelt perfekt angepasst hat.

Der genetische Code

So fand das Team im Genom von T. alpestre Hinweise darauf, dass durch positive Selektion bestimmte genetische Veränderungen begünstigen wurden. Auf der anderen Seite fanden die Forscher auch bei vielen Genen, dass der Selektionsdruck abgenommen hat. Viele Funktionen, die verwandte Arten in ihrem Lebensumfeld benötigen, scheinen für die alpine Ameisenart keine große Bedeutung mehr zu haben. Als Beispiel nennt Francesco Cicconardi, der heute an der University of Bristol forscht, sogenannte Hitzeschockproteine, mit denen Organismen ihre Zellen vor Schäden durch Umwelteinflüsse wie Hitze schützen. Auf diese sind die alpinen Ameisen offenbar nicht mehr besonders angewiesen, weshalb die Natur viele genetische Modifikationen zulässt, ohne dass den Tieren daraus ein Schaden entsteht. Andere Veränderungen werden sehr wichtig, weil sie das Überleben unter sehr kalten Bedingungen ermöglichen. Dazu haben die Forscher die Expression von bestimmten Proteinen bei Kälteschockexperimenten untersucht. Dabei zeigte sich, dass die alpine Art bestimmte Proteine in größerer Menge produziert als andere Arten. „Sowohl der genetische Code als auch die Expression der mit den Umweltbedingungen verbundenen Gene ist bei T. alpestre anders ausgeprägt“, fasst Francesco Cicconardi zusammen.

Art der Ernährung

Positive Selektion zeigt sich auch in Enzymen, die den Zuckerhaushalt der Tiere regulieren. Diese Anpassung konnten sich die Forscher zunächst nicht erklären. Sie kehrten deshalb noch einmal zu den Nestern der Ameisen zurück und fanden dort Wurzelläuse, die gemeinsam mit den Ameisen leben und ihnen offenbar Nahrung liefern. Durch die genetische Anpassung ihres Glukosehaushalts, sind die alpinen Ameisen in der Lage, diesen Zucker besonders effizient zu verarbeiten. Dies konnten die Innsbrucker Forscher gemeinsam mit der italienischen Arbeitsgruppe um Daniele di Marino nachweisen. Eine dynamische Modellierung des betroffenen Moleküls zeigt nämlich, dass die Veränderung im Genom der Ameisen das Enzym deutlich flexibler macht und so in die Lage versetzt eine stabilere Verbindung mit dem Zielprotein herzustellen, was wiederum die Effizienz des Prozesses in den Zellen steigert.

„Mit unseren Untersuchungen konnten wir zeigen, wie es im Lauf der Evolution dazu kam, dass diese Ameise auch unter unwirtlichen Bedingungen überleben kann“, sagt Florian Steiner. „Die entsprechenden Spuren finden wir im Erbgut.“ Die Forschungen wurden vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziert und in Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen in Österreich, Italien, Großbritannien, USA und Hongkong durchgeführt.

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