Radiogalaxien gehören zur Klasse von Galaxien mit einem aktiven und hell leuchtenden Zentrum, aus dem riesige, gerichtete Materieströme ausgestoßen werden, die als Jets bezeichnet werden. Als Energiequelle dieser Jets werden extrem massereiche Schwarze Löcher mit der Masse von hundert Millionen bis einige Milliarden Sonnenmassen vermutet. Jets aus aktiven Galaxienkernen können durch den Einfall von Materie auf ein solches supermassives schwarzes Loch erklärt werden. Sie werfen Teilchenströme mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit über Hunderte bis Tausende von Lichtjahren weit ins Weltall. Durch die große Entfernung zu diesen Objekten können ihre Strukturen jedoch nur für die nächsten von ihnen aufgelöst werden.
Im Fall der – auf astronomischen Skalen – nur rund 12 Millionen Lichtjahre entfernten Radiogalaxie Centaurus A, einer der hellsten Galaxien des Südhimmels, wurde der Jet bislang vom Radiobereich bis hin zu Röntgenenergien vermessen. „Am höchstenergetischen Ende des elektromagnetischen Spektrums konnte Centaurus A aber bisher nur als unaufgelöste Punktquelle beobachtet werden“, erklärt Dr. Markus Holler vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck und Mitglied der H.E.S.S.-Kollaboration. Ob die höchstenergetische Gammastrahlung vom Galaxienkern oder aber vom Jet emittiert wird, konnte man daher bis dato nicht feststellen. Hier setzt ein wichtiger Beitrag der Innsbrucker Astrophysiker zur kollaborativen Studie an: Wie kürzlich bei der erfolgreichen Vermessung des Krebsnebels verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Olaf Reimer auch für die Untersuchung der Strukturen von Centaurus A eine neuartige Simulationsumgebung. Diese ermöglichte eine weitaus präzisere Analyse der insgesamt über 200 Stunden Beobachtungszeit mit den H.E.S.S.-Teleskopen. „Die Simulationen, die wir für die Auswertung benötigten, werden üblicherweise vor den Beobachtungen generiert. In unserer Simulationsumgebung gibt es aber für jede Beobachtung in der Analyse eine maßgeschneiderte Simulation“, erklärt Astrophysiker Markus Holler. So ist es gelungen, hochenergetische Gammastrahlung entlang des Jets von Centaurus A nachzuweisen. „Wir können also nicht nur erstmals Centaurus A von einer Punktquelle unterscheiden, sondern sogar die Emission durch ihre Form zum Teil dem Jet zuordnen.” Die gemessene Ausdehnung des Jets von über 2 Winkelminuten (siehe Abbildung) im Gammastrahlenlicht enthüllt dabei ein spannendes Geheimnis: Nämlich die Antwort auf die Frage, wo und wie die höchstenergetische Gammastrahlung von Centaurus A entsteht.
Rückschlüsse auf Teilchenbeschleunigung im Jet
Berücksichtigt man die über andere Messinstrumente – v.a. Radio- und Röntgenstrahlenbeobachtungen – gewonnenen Informationen über Centaurus A sowie die von H.E.S.S. vermessene Emission des Jets in einer Modellierung, so lässt sich letztere nur mit einem extrem effizienten, entlang des Jets verteilten, kontinuierlich operierenden Beschleunigungsmechanismus erklären. „Die alleinige Tatsache, dass Photonen aus dem Jet bis in diesen hochenergetischen Gammastrahlenbereich nachgewiesen werden konnten, setzt dort die Existenz von geladenen Teilchen voraus, die eine Energie von mindestens 10 bis 100 Billionen Elektronenvolt erreichen müssen”, verdeutlicht die Theoretikerin Prof. Anita Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck ein zentrales Ergebnis der Studie.
„Inwieweit ähnlich effiziente Teilchenbeschleunigung in den ausgedehnten Jetbereichen auch ein Merkmal anderer aktiver Galaxienkerne ist, die nicht durch extreme Radiohelligkeit wie Centaurus A auffallen, ist eine Frage, die das künftige Cherenkov Telescope Array (CTA) beantworten sollte”, vermutet Prof. Olaf Reimer, der die österreichische Beteiligung an Vorbereitung und Bau des Höchstenergie-Gammastrahlenobservatoriums CTA koordiniert. Ob Centaurus A also als generisch für viele weitere Galaxien betrachtet werden kann, wird sich in weiteren Forschungsvorhaben zeigen.
Indirekte Messung von Gammastrahlung
Die H.E.S.S.-Teleskope sind nach dem Entdecker der kosmischen Strahlung und Nobelpreisträger Victor Franz Hess benannt, der von 1931 bis 1937 als Professor an der Universität Innsbruck tätig war. Sie messen Gammastrahlen, die etwa 1.000 Milliarden Mal energiereicher sind als sichtbares Licht. Jedes dieser Gamma-Quanten erzeugt beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre unter anderem eine Vielzahl an geladenen Teilchen, welche wiederum über den Cherenkov-Effekt (eine Art optisches Analogon zum Überschallknall) sichtbares Licht emittieren. Die H.E.S.S.-Teleskope werden seit 2002 von einer internationalen Kollaboration in Namibia betrieben. Seit 2009 ist auch Österreich Mitglied, Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck leitet die österreichische H.E.S.S.-Gruppe.
Publikation: The H.E.S.S. Collaboration: “Resolving acceleration to very high energies along the Jet of Centaurus A” in Nature, 17. Juni 2020. DOI: 10.1038/s41586-020-2354-1