Kristina Schinegger, Professorin am Institut für Gestaltung an der Uni Innsbruck und eine der Leiter*innen des Kurses, und die Kunstexpertin und Vortragende Elisabeth Schweeger, sprechen vor Kursbeginn in einem Interview über ihre Erwartungen, Vorstellungen und ihre Ideen von „Designing Future Realities“. Der Universitätskurs wird gemeinsam von der Uni Innsbruck und der Destination Wattens Regionalentwicklung GmbH angeboten.
Uni Innsbruck: „Designing Future Realities“ ist ein vielversprechender und vielschichtiger Name, der Innovation und viel Neues verspricht. Was heißt er für Sie?
Schweeger: Für mich geht es um meine Zukunftsvision, denn wir haben es in der Hand, die Zukunft zu gestalten. Der Universitätskurs gibt uns und den Teilnehmenden die Möglichkeit, auf einem sehr hohen Niveau, und mit einem hohen professionellen Input, darüber nachzudenken, was die Zukunft braucht und was jede und jeder persönlich dazu beitragen kann. Wir alle haben das Potential, das Morgen zu bestimmen und zu verhindern, dass es uns bestimmt.
Schinegger: Es ist wichtig, zu betonen, dass das Designen und Gestalten einen anderen Zugang wählen, um über Zukunft nachzudenken. In der Wissenschaft geht man analytisch von Daten und Fakten aus. In der Kunst gibt es sehr viel freiere Zugänge, Vorstellungen und Ideen, wie man mit Zukunft umgehen kann. Wir laden deswegen Wissenschaftler*innen und Designer*innen/Künstler*innen gleichermaßen ein, an dem Kurs teilzunehmen.
Schweeger: Der Raum hat eine ganz besondere Wirkung auf das menschliche Sein, auf das Wesen und das Verhalten der Menschen. Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, wie Räume, in denen wir uns zukünftig bewegen, in denen soziale Kompetenz, Empathie oder kritisches Denken möglich sein soll, aussehen könnten. Wir möchten etwas Neues ausprobieren und gemeinsam erarbeiten, welche Aspekte entscheidend sind, um in die verschiedensten Bereiche des gesellschaftlichen Alltags einzufließen.
Uni Innsbruck: Wie könnte der Raum in Zukunft aussehen?
Schinegger: Gerade in den herausfordernden Zeiten der Pandemie haben wir die Erfahrung gemacht, uns in den virtuellen öffentlichen Räumen zu bewegen. Den Menschen fehlt hier aber die Möglichkeit, Räume und ihr Gegenüber wahrzunehmen. Was verloren geht, ist vor allem der gemeinsame Raum der Interaktion. Wie diese virtuellen Räume wieder mit den physischen Bedürfnissen verknüpft werden können und welche Möglichkeiten dabei neue Technologien bieten, darüber sollen die Teilnehmenden im Kurs unter anderem nachdenken. Neue Technologien erlauben es beispielsweise, uns in den Raum zu begeben, wo mein Gesprächspartner gerade sitzt, seine Aussicht zu sehen oder seine Perspektive einzunehmen. Wir wollen raus aus der Galerie – und rein in eine echte Kommunikation und Interaktion.
Schweeger: Die Kommunikationsstruktur und Dialogsysteme verändern sich, wenn der Körper, über den wir viel mehr als nur Worte kommunizieren, nicht präsent ist. Neben dem Mund, der Wörter formuliert, kommuniziert der Körper direkt mit seinem Gegenüber. Der Raum, eingebettet in eine bestimmte Architektur, mit einer bestimmten Größe, Tiefe, Materialität, mit einem bestimmten Lichteinfall und einem charakteristischen Klang wirkt auf die Menschen ein und beeinflusst ihr Verhalten. Je genauer man das weiß, was der Raum für eine Bedeutung hat, desto mehr fängt man auch an, nachzudenken, was man machen kann. Im Kurs wollen wir aktiv darauf hinweisen, welche Kraft die Gestaltung hat.
Uni Innsbruck: Mit dem Knowhow von Design können wir unsere Umwelt zukunftsorientiert gestalten?
Schinegger: Design hat seine eigenen Methoden, um mit offenen und intuitiven Zugängen, Lösungen zu finden. Designer*innen entwickeln ein eigenes Sensorium und haben nicht nur ein „Auge“ für ihre Umwelt. Man braucht auch ein Ohr und ein Gespür, um den Raum wahrnehmen zu können. Es gibt nicht nur Formen und Farben, um einen Raum zu gestalten – wir haben auch die Zeit, den Klang, Wörter, oder den Körper an sich. Kann man dieses Wissen und Können kultivieren, dann hat man ein großartiges Instrumentarium, um zu Gestalten. Bei Designing Future Realities geht es um Kommunikation. Wir wollen das Verständnis vermitteln, dass diese Kommunikation nicht nur das Wort oder der geschriebene Text ist, sondern auch stark über räumliche Aspekte und über Dinge, die nicht so offensichtlich sind, passiert.
Uni Innsbruck: Teilnehmen können nicht nur Designer*innen, sondern auch Expert*innen aus anderen Bereichen?
Schweeger: Die Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Fachrichtungen ist sehr bereichernd. So sind die Materialien, mit denen Biolog*innen beispielsweise arbeiten, für Designer*innen inspirierend und sie fragen sich, ob man aus Spinnenfäden auch ein neues Material machen kann. So arbeitet der Naturwissenschaftler mit einem Künstler zusammen oder mit einem Kostümentwickler.
Schinegger: Wir wollen durch die Interdisziplinarität einen Austausch erzeugen. Die Bewerber*innen für den Kurs, die nicht aus der Gestaltung kommen, haben meistens intuitiv schon einen starken Drang nach Design. Nicht umsonst ist es ein Bereich, der auch in der Forschung enorm wächst. „Arts-Based-Research“ oder „Research by Design“ sind unterschiedliche Methoden, die auch in der Wissenschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Es geht darum, die Kunst als Methode zu erschließen. In jeder Wissenschaft gibt es die Faszination. In der Ästhetik, der Lehre der Wahrnehmung, beschäftigen wir uns damit, wie Dinge auf uns wirken und wie wir diese Effekte und Wirkungen einsetzen. Deswegen wollen wir das Thema des Designs auch sehr breit angehen, indem wir auch Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen einladen, um mit uns die noch ungeahnten Potentiale noch zu entdecken.
Uni Innsbruck: Welche Visionen haben Sie für den Kurs, aber auch für zukünftige Designs?
Schweeger: Wir erwarten uns schöne, innovative Projekte, mit der Möglichkeit, auch umgesetzt zu werden. Weiters hoffen wir, mit dem Kurs ein Bewusstsein zu schaffen für das, was uns die Welt noch geben kann, wenn wir achtsam mit ihr umgehen, damit auch noch die folgenden Generationen ein schönes Leben auf unserer Erde haben. Erarbeiten wollen wir neue Zugänge nicht in einer autoritären Art und Weise, sondern in einem Miteinander.
Schinegger: Ich freue mich sehr auf den Start des Universitätskurses, denn bereits die Vorbereitungszeit war schon spannend und bereichernd. Ich bin ganz zuversichtlich, dass von den Studierenden etwas kommt, was wir nicht erwarten. Dann wird es wirklich überraschend! Ich merke jetzt auch, wie viele kreative Köpfe an der Uni Innsbruck sind und mit ihrem Engagement die Universität gestalten.
Schweeger: Es ist spannend, dass hier eine Universität, die ja Wissen vermittelt und Forschung betreibt, mit einer Region kooperiert, die auf Forschung setzt, aber auch den ländlichen Raum optimieren möchte. Man kann nur neugierig sein. Die Anlagen sind so, dass hier etwas entstehen wird, was uns zum Staunen bringen wird. Der Geist ist unendlich und der Raum eigentlich auch – man geht eigentlich nur natürlich miteinander um.
Schinegger: Mit den Werkstätten Wattens gibt es auch schon länger einen intensiven Dialog. Endlich wird auch erkannt, dass Design eine wichtige Komponente ist, die bisher hauptsächlich an Großstädte gebunden war und in den Regionen vernachlässigt wurde. Momentan erleben wir intensiv, dass man nicht vor Ort sein muss, um Neues zu lernen. Vielleicht wollen viele auch nicht mehr in die Großstadt gehen, sondern suchen nach Orten, wo man mehr Fokus hat, mehr Konzentration, weniger Ablenkung und trotzdem verbunden ist, mit internationalen Expert*innen, weil das virtuell jetzt möglich ist.
Schweeger: Es ist wichtig, dass Teilnehmende dabei sind, die nicht im „Schema F“ denken, in den sogenannten Konformismen, sondern bereit sind, spielerisch an die Sachen heranzugehen, sie auch zu konterkarieren. Das ist wie mit dem Reisen, da weiß man auch nicht, was passiert und man möchte anstatt der gewohnten Speisen, andere Gerüche, andere Gefühle, andere Materialien kennenlernen.
Schinegger: Wir haben kreative und spannende Persönlichkeiten ausgewählt. Es wird viel aus ihnen selbst heraus entstehen und wir hoffen auf ein produktives Jahr und einen anregenden Dialog mit den Lehrenden. Designing Future Realities ist gemeinsame Suche, ein gemeinsames Herausfinden.