Der Anstieg des Meeresspiegels wird durch das Abschmelzen der Gletscher und Kontinentaleisschilde verursacht und ist eine der folgenschwersten Auswirkungen des durch Menschen verursachten Klimawandels. Da es sich dabei allerdings um ein Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Faktoren handelt, ist eine zuverlässige Prognose mit großen Herausforderungen verbunden. 80 internationalen Forscherinnen und Forschern ist es nun in einer im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlichten Studie gelungen, eine bisher unerreichte Genauigkeit des künftigen Anstiegs des Meeresspiegels unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zu modellieren. Dazu hat das internationale Team eine Vielzahl von unterschiedlichen Computermodellen mit statistischen Methoden verbunden, um Datengrundlagen für den kommenden sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarates (IPCC) bereitzustellen. „Diese Studie ist eine bisher einzigartige Kombination von hochentwickelten Klima- und Gletschermodellen durch 38 internationale Forschungsgruppen, um den Anstieg des Meeresspiegels in der Zukunft besser zu quantifizieren“, verdeutlicht Dr. Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Uni Innsbruck. Der Glaziologe steuerte Projektionen der potenziellen Veränderungen der Gebirgsgletscher bei, basierend auf dem an der Universität Innsbruck entwickelten Gletscherentwicklungsmodell OGGM. Das zentrale Ergebnis: Eine Limitierung der globalen Erwärmung um 1,5 Grad (Pariser Abkommen) bis 2100 würde im Verhältnis zu den aktuellen Emissionszusagen der Nationalstaaten die Verluste des grönländischen Eisschildes um 70 Prozent und der Gletscher um die Hälfte reduzieren. Eine Begrenzung auf 2 oder mehr Grad, wie in anderen Szenarien berechnet wird, reicht dazu nicht aus. Für die Antarktis sind die Vorhersagen für die unterschiedlichen Emissionsszenarien gleich, da es derzeit unklar ist, ob der Schnee, der im kalten Inneren des Eisschildes fällt, das Schmelzen an den Küsten ausgleicht. Bei einem pessimistischen Szenario mit viel mehr Schmelze als Schneefall könnten aber auch die Eisverluste in der Antarktis um fünfmal größer ausfallen.
Schaden mit 1,5-Grad-Ziel begrenzbar
„Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im November dieses Jahres aktualisieren viele Nationen ihre Zusagen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Rahmen des Pariser Abkommens. Der globale Meeresspiegel wird weiter ansteigen, selbst wenn wir jetzt alle Emissionen stoppen, aber unsere Untersuchung legt nahe, dass wir den Schaden begrenzen könnten“, erklärt Dr. Tamsin Edwards, Klimaforscherin am King’s College London und Hauptautorin der vorliegenden Studie. Bei ehrgeizigeren Zusagen könnten die mittleren Vorhersagen für den Anstieg des Meeresspiegels durch schmelzendes Eis von 25 Zentimeter auf 13 Zentimeter im Jahr 2100 reduziert werden, sind sich die Forscher*innen einig. Die Wahrscheinlichkeit zumindest unter 28 Zentimeter zu liegen, würde sogar 95 Prozent betragen – anstatt des aktuellen oberen Limits des Unsicherheitsbereichs von 40 Zentimetern. „Für das Ausmaß potenzieller Überschwemmungen von Küstengebieten zählt jeder Zentimeter“, so Edwards. Gletscher und Eisschilde sind derzeit für etwa die Hälfte des globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich, der Rest entsteht durch die Ausdehnung der Ozeane aufgrund der Erwärmung des Wassers. In früheren Modellierungen wurden ältere Emissionsszenarien verwendet: Aufgrund der begrenzten Anzahl von Simulationen waren diese ungenauer. Die statistisch basierte Studie des internationalen Forscher*innen-Teams aktualisiert diese Szenarien nun und vereint alle vorhandenen Daten zum Landeis in einem vollständigeren Bild. Dadurch können unterschiedliche Höhen des Meeresspiegels vorhergesagt werden. „Trotz großer Unsicherheiten zur Entwicklung des antarktischen Eisschildes beinhaltet unsere Studie eine klare und unmissverständliche Botschaft: Es ist enorm wichtig, die Erwärmung zu begrenzen, um Küstenregionen zu schützen. Dazu kommt, dass der Anstieg des Meeresspiegels nicht die einzige Folge des Gletscherrückgangs ist. Das Abschmelzen der Gletscher wirkt sich auch auf die Süßwasserressourcen in vielen vergletscherten Becken aus und erhöht die Risiken von Erdrutschen und Überschwemmungen. Jedes Zehntelgrad zählt und macht einen Unterschied für künftige Generationen“, betont Fabien Maussion.