„Die Beobachtung der Veränderungen der Kryosphäre und der Morphologie des Hochgebirges ist von grundlegender Bedeutung“, betonte der Direktor des Landesamtes für Hydrologie und Stauanlagen in der Agentur für Bevölkerungsschutz, Roberto Dinale. Mit Rudolf Sailer von der Universität Innsbruck und Claudia Notarnicola von Eurac Research war er federführend am innovativen Konzept zum grenzübergreifenden Gletschermonitoring unter besonderer Berücksichtigung der Anwenderorganisationen in den Bereichen Hydrologie, Naturgefahren, Wasser- und E-Wirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus beteiligt. Kernpunkt des Konzeptes ist die Koppelung traditioneller Gletschermessverfahren mit modernsten Fernerkundungstechnologien. Das Interreg-Projekt Glacier Inventory South Tyrol-Tyrol GLISTT wurde nun nach knapp vier Jahren offiziell abgeschlossen.
Rektor Tilmann Märk verwies auf die gute und konstruktive Zusammenarbeit der Projektpartner und hob hervor, dass dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Gletscher- und Klimawandels in den Alpen leiste: „Für die vor uns stehenden Aufgaben zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels bilden diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse eine wichtige Grundlage.“ Die Gletscher als „die augenscheinlichen Indikatoren des Klimawandels“, unterstrich auch der Präsident von Eurac Research, Roland Psenner, „werden damit zu Vorboten seiner zu erwartenden schwerwiegenden Folgen“. Der Rückzug der Gletscher“, erklärte der Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz, Klaus Unterweger einleitend, „hat gravierende Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und die Fließgewässer; deshalb gilt es, die zentrale Bedeutung für ihren Schutz noch stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein zu heben“.
20 Prozent Flächenverlust
Die Gletscheränderungen in Fläche, Volumen und Masse wurden im Verlauf dieses Projektes mit modernsten Verfahren auf Basis von Laserscanaufnahmen, Orthophotos und Satellitenbildern erfasst, quantifiziert und inventarisiert, fasste Christoph Klug vom Institut für Geographie an der Universität Innsbruck zusammen: In Tirol wie in Südtirol beträgt der mittlere Flächenverlust, den die Gletscher in etwas weniger als eineinhalb Jahrzehnten erfahren haben, fast 20 Prozent. In nur drei Regionen Südtirols und nur einer Region Tirols wird dieser Wert unterschritten. Die geringste Veränderung der Gletscherfläche erfolgte im Südtiroler Teil der Stubaier Alpen mit 13 Prozent. Am größten ist der Flächenverlust bei den Zillertaler Alpen mit 20 Prozent auf Südtiroler und mit 30 Prozent auf Nordtiroler Seite.
Beobachtung mit Satelliten
Im Rahmen des GLISTT-Projektes wurden neue Methoden für die Verarbeitung von Satellitendaten entwickelt, führte Mattia Callegari von Eurac Research aus: Dank einer speziellen Datenverarbeitung, d.h. durch Interferometrie, können die Sentinel-1-Radardaten Oberflächenbewegungen erkennen. Diese Eigenschaft wird für die Kartierung von schuttbedeckten Gletschern genutzt, die auf den uns vertrauten optischen Bildern nur schwer zu erkennen sind. Mit Schutt bedeckte Gletscher bewegen sich in der Regel ebenfalls hangabwärts und sind daher auf Sentinel-1-Radarbildern leicht zu erkennen.
Webcams überwachen Gletschergebiete
Um die Gletscher im grenzüberschreitenden Projektgebiet kontinuierlich und in Echtzeit beobachten zu können, wurden im Rahmen von GLISTT fünf Foto-Webcams installiert, die die Gletschergebiete überwachen sollen. Diese Daten können auch über die Projektwebsite abgerufen werden.
Leadpartner des Projektes GLISTT - Interregionales Gletschermonitoringkonzept für die Region Südtirol-Tirol Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020 sind das Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften und das Institut für Geographie an der Universität Innsbruck, Partner sind Eurac Research und die Agentur für Bevölkerungsschutz in Bozen.