Ein Murmelspiel, in dem sich die Welt spiegelt, ein kafkaesker Tapetenwechsel oder das schwere Erbe einer Lampenfabrik – das sind die Stoffe, aus denen Stefan Abermanns listenreiche Kurzgeschichten bestehen. In „Changes“ dreht sich alles um Verwandlung und Veränderung. Die Geschichten sind teils realistisch, teils magisch und balancieren dabei augenzwinkernd zwischen Ernst und Aberwitz. Ob beim Tirolerabend im China-Restaurant oder im eisigen Schein der Nordlichter – der bekannte österreichische Poetry-Slammer verwandelt alltäglichen Wahn in ein literarisches Spektakel.
„Am besten fand ich an den Murmeln die Geräusche. Für sich betrachtet ist eine Glasmurmel ja nur glatt – geräuschlos durchschneidet sie im Flug die Luft. Doch kaum berührt sie andere Dinge, legt sie ihr Schweigen ab. Zuerst das kaum wahrnehmbare Knistern, wenn sich die Kugel von der verschwitzten Handfläche löst. Dann der Aufprall auf dem Untergrund – das dumpfe Pochen auf dem gestampften Lehm, der gepresste Seufzer auf Gras. Und dann natürlich das klirrende Klickern auf Asphalt: Die Kugel traf mit spitzem Klang den Boden und ich schloss schnell die Augen. Denn jedes Mal meinte ich, sie müsste nun zersprungen sein. Doch die Murmel sprang weiter, ergab sich langsam der Schwerkraft und immer schneller erklang ihr Herzschlag. Ich öffnete die Augen und sah, wie die Murmel ins Loch fiel. Hier erklang das schönste aller Geräusche: Wenn Murmeln sich an Murmeln rieben.
Trug man die Kugeln in den Taschen, zirpten sie ein Lied. Doch nie sangen die Murmeln schöner, als wenn die Hände in das Loch fuhren, um den Siegespreis zu fassen – wenn ich die Murmeln der anderen Kinder herausholen durfte und begriff: Jetzt gehörten sie mir.“
Informationen zum Buch
Changes
Kurzgeschichten
Stefan Abermann
Hardcover mit Schutzumschlag, 176 Seiten
2021, edition laurin
ISBN 978-3-902866-97-4
Preis: € 19,90 Euro