Die Rechts- und Kriminalsoziologie ist in Österreich untrennbar mit dem Namen Arno Pilgram verbunden. Wie wenige hat er dieses Fach in Österreich geprägt, maßgeblich zu seiner Anerkennung beigetragen und dessen Nutzen für fachliche und politische Diskurse, öffentliche Verwaltung und gesellschaftliche Entwicklungen deutlich gemacht. Am 3. November erhielt er von Justizministerin Alma Zadić das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, anlässlich seines 75. Geburtstags entstand zudem die Festschrift „Sozialwissenschaftliche Aufklärung der Rechtspolitik und -praxis als Berufung“, die ab sofort als Open-Access-Buch verfügbar ist (Link siehe unten). „Die Wissenschaft ist für Arno Pilgram freilich nie Selbstzweck, sondern immer Mittel, gesellschaftliche Verbesserungen herbeizuführen. Und dieses Ziel, die Wissenschaft für Politik, Verwaltung Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist in Österreich wenigen Wissenschaftlern in einer solchen Breite und Dichte gelungen wie Arno Pilgram“, betonte der Jurist Oliver Scheiber bei seiner Laudatio für den Geehrten.
Breites Forschungsinteresse
1982 hat sich Pilgram in Frankfurt am Main im Fach Soziologie mit dem Schwerpunkt Rechts- und Kriminalsoziologie habilitiert, 1986 folgte die Habilitation zur Soziologie der sozialen Kontrolle an der Universität Wien. 1973 war er bereits Gründungsmitglied des damals neu eingerichteten Instituts für Kriminalsoziologie, das 1983 mit einer Organisationsänderung in Institut für Recht- und Kriminalsoziologie (IRKS) umbenannt wurde. Von 1993 bis 2000 war er stellvertretender Leiter des IRKS, im Jahr 2000 übernahm Pilgram die Leitung des IRKS, führte es bis 2004 und später nochmals von 2008 bis 2011 als Departmentleiter. Er blieb bis zu seiner Pensionierung Mitarbeiter des IRKS und beteiligt sich auch heute noch als Konsulent an Arbeiten und Forschungsprojekten des nunmehrigen Instituts für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck.
Wenngleich das Arbeitsfeld Pilgrams zweifellos einen Schwerpunkt in der Kriminalsoziologie aufweist, so beindruckt insgesamt das große Spektrum der Forschungsfelder, mit denen er sich beschäftigte und noch immer beschäftigt. Seine Arbeiten reichen von Sicherheitsaspekten, Gewaltphänomenen, Drogenpolitik, zivilrechtlichen Freiheitsbeschränkungen, Erwachsenenvertretung bis zur Sanktionspraxis, zu alternativen Konfliktlösungen, Strafvollzug und ambulanter Straffälligenarbeit oder zur Kriminalität und Strafverfolgung bestimmter Gruppen (Jugendliche, Fremde, etc.), um nur einen Teil seiner Interessensgebiete zu nennen. In besonderer Weise verdient machte sich Pilgram auch durch Arbeiten zur Verbesserung von Datengrundlagen für die öffentliche Verwaltung, zur Verbesserung öffentlicher Berichterstattungen und mit Kommentaren zum besseren Verständnis öffentlicher Berichte (z.B. Rückfallstatistik, Pilotbericht Strafvollzug, Justizbericht Rechtsfürsorge, der andere Sicherheitsbericht und jüngst Mitarbeit am Pilot-Kapitel des Sicherheitsberichtes über die Tätigkeit der Strafjustiz 2019 zur Korruptionsstatistik).
Pilgram ist Buchautor, Autor und Mitautor von mehreren hundert Buchbeiträgen, Artikeln in Fachzeitschriften, Forschungsberichten und Expertenpositionen. Er war Mitherausgeber der Institutsschriftenreihe „Kriminalsoziologische Bibliografie“, Mitherausgeber und Redakteur der Zeitschrift „Neue Kriminalpolitik“, des „Jahrbuchs für Rechts- und Kriminalsoziologie“ sowie der „Schriften zur Rechts- und Kriminalsoziologie“. Darüber hinaus war er Mitbegründer und Geschäftsführer des Verlags für Gesellschaftskritik. Pilgram unterrichtete an der Universität Wien, betreute Arbeiten von Studierenden und ist bis heute gerne eingeladener Referent zu Fachthemen. Seit Jahrzehnten bringt Pilgram sein umfassendes Fachwissen auch in den Verein NEUSTART ein. Er ist außerdem Mitglied der kriminalpolitischen Initiative. Alle seine Arbeiten und fachlichen Aktivitäten drücken das Anliegen aus, zu einem besseren Verständnis von gesellschaftlichen Phänomenen, Problemen und deren Bearbeitung beizutragen und damit positive Entwicklungen im Sinne einer demokratisch-rechtsstaatlich verfassten und inklusiven Gesellschaft zu unterstützen. Diese besonderen Verdienste an der und für die österreichische Gesellschaft verdienen Wertschätzung und Anerkennung und wurden nun durch die Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich gewürdigt.
(Walter Hammerschick)
Links
- Laudatio von Oliver Scheiber
- Festschrift für Arno Pilgram zum 75. Geburtstag
- Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie