Zwei Schulversuche illustrieren, wie Wasserstoff aus Wasser entsteht: Wirft man ein Stück Natrium in Wasser, kommt es zur unkontrollierten Wasserstoffentwicklung. Mit einer Batterie und zwei in Wasser getauchten Elektroden entsteht durch Elektrolyse an einer Elektrode Wasserstoff, an der anderen Sauerstoff. Zu beiden Reaktionen hat ein internationales Team um Martin Beyer und Milan Ončák am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik neue Erkenntnisse geliefert, die in den Augen der Gutachter so wichtig sind, dass sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie den begehrten VIP-Status erhalten haben.
In einer gerade erschienenen Publikation wurde das Natrium-Schulexperiment mit einfach geladenen Aluminiumionen in nanoskopischen Wassertropfen aus weniger als 20 Wassermolekülen simuliert. Mit Hilfe der Infrarotspektroskopie konnten Jakob Heller und Christian van der Linde im Labor zeigen, dass der Wasserstoffentwicklung die Bildung eines Metallhydrids vorausgeht. Damit Wasserstoff tatsächlich entsteht, muss es zuerst zu einer Wasserstoffbrückenbindung zwischen dem Hydrid und einem weiteren Wassermolekül kommen. Die Partnerarbeitsgruppe von Chi-Kit Siu an der City University Hong Kong hat hunderte von möglichen Strukturen im Computer getestet. Diejenigen Strukturen, die zum experimentellen Spektrum passen, waren auch diejenigen, die energetisch bevorzugt sind, so dass die experimentellen Befunde zweifelsfrei erklärt werden konnten.
Zur Wasserelektrolyse wurden Experimente mit Molybdänsulfidclustern durchgeführt. Molybdänsulfid hat das Potential, in großtechnischen Elektrolyseuren Platin als Katalysator zu ersetzen. Als Zwischenschritt bei der Elektrolyse wandern Protonen zu negativ geladenen Schwefelzentren an der Katalysatoroberfläche. Im Laborexperiment wurde wiederum durch Infrarotspektroskopie von Aristeidis Baloglou gezeigt, dass sogenannte terminale Disulfide das Proton aufnehmen. Die Experimente im Massenspektrometer waren nur durchführbar, weil es der Arbeitsgruppe von Philipp Kurz an der Universität Freiburg gelungen ist, kleinste Mengen isotopenangereicherter Molybdänsulfidcluster herzustellen.
Die Motivation zu diesen Arbeiten ist die Jahrhundertaufgabe, den Klimawandel zu bekämpfen. Die Grundlagenforschung der Arbeitsgruppe Chemische Physik am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik an der Universität Innsbruck liefert dafür wichtige Impulse. In diesem Fall bringen die neuen Erkenntnisse ein besseres Verständnis der einzelnen Reaktionsschritte bei der Wasserstoffentwicklung. Dadurch erhalten Wissenschaftler und Ingenieure auf der Technologieseite neue Ideen für die Verbesserung und Effizienzsteigerung ihrer Prozesse.
Die Aluminium-Arbeit ist im Rahmen des Projekts „Photochemie und Spektroskopie hydratisierter Metallionen“, gefördert vom FWF, und dem Doktoratskolleg „Atome, Licht und Moleküle – DK ALM“, gefördert vom FWF und von der Tiroler Landesregierung, entstanden. Das Molybdänsulfid wurde im Projekt MolSulCat untersucht, das mit Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „ENERGIE DER ZUKUNFT“ durchgeführt wurde. Bei beiden Arbeiten wurden Lasersysteme aus der Innsbruck Laser Core Facility eingesetzt, die vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gefördert wird.
Links
- J. Heller, W. K. Tang, E. M. Cunningham, E. G. Demissie, C. van der Linde, W. K. Lam, M. Ončák, C.-K. Siu, M. K. Beyer: Getting Ready for the Hydrogen Evolution Reaction: The Infrared Spectrum of Hydrated Aluminum Hydride-Hydroxide HAlOH+(H2O)n-1, n = 9-14. Angewandte Chemie International Edition 60, 16858-16863 (2021); DOI: 10.1002/anie.202105166
- A. Baloglou, M. Plattner, M. Ončák, M.-L. Grutza, P. Kurz, M. K. Beyer: [Mo3S13]2- as a Model System for Hydrogen Evolution Catalysis by MoSx: Probing Protonation Sites in the Gas Phase by Infrared Multiple Photon Dissociation Spectroscopy. Angewandte Chemie International Edition 60, 5074-5077 (2021); DOI: 10.1002/anie.202014449
- Forschungsgruppe Chemische Physik