In der vom Innsbrucker Marketingexperten Mathias Streicher gemeinsam mit Zachary Estes von der britischen Bayes Business School durchgeführten Studie wurde untersucht, wie die Position von Einkaufswagengriffen das Einkaufsverhalten beeinflussen kann. Wird beispielsweise ein Standard-Einkaufswagen mit horizontaler Griffstange geschoben, wird durch das Schieben des Wagens vor allem der Trizeps-Muskel im Oberarm aktiviert. „Die psychologische Forschung hat gezeigt, dass die Aktivierung des Trizeps eine typische Vermeidungshaltung ist und daher eher mit Ablehnung oder Vermeidung assoziiert wird – zum Beispiel, wenn Menschen etwas Unerwünschtes durch ausgestreckte Arme auf Abstand halten. Aus Verbrauchersicht könnte man daher sagen, dass Standard-Einkaufswagen den Konsumenten zumindest nicht konsumfreudiger machen sollten“, erläutert Mathias Streicher. Um einen Vergleichswert zu haben, entwickelte Streicher einen Prototyp mit parallelen Griffen – ähnlich wie bei einer Schubkarre –, der beim Schieben den Bizeps-Muskel aktiviert. „Die Idee war folgende: Menschen bringen erwünschte Dinge wie Produkte durch Annäherungsbewegungen in Besitz, eine Aktivität, für die vor allem der Bizeps relevant ist. Daher haben wir einen Wagen entwickelt, der beim Schieben ganz automatisch den Bizeps aktiviert – eine Armbewegung, welche kompatibel ist mit Produktauswahl und Konsum.“ Als die Forscher den neu gestalteten Einkaufswagen in einem Supermarkt in Innsbruck testeten, stellten sie fest, dass diejenigen, die einen Einkaufswagen mit parallelen Griffen benutzten, mehr Produkte gekauft und 25 Prozent mehr Geld ausgegeben haben als diejenigen, die mit einem Standardwagen eingekauft haben.
Griffe lassen Einkaufsmuskeln spielen
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Supermärkte wahrscheinlich höhere Umsätze und Gewinne erzielen können, wenn sie ihren Kunden Einkaufswagen mit parallelen Griffen zur Verfügung stellen, während die Verbraucher wahrscheinlich mehr Kontrolle über ihre Ausgaben haben, wenn sie den Standard-Einkaufswagen benutzen. Während die Kunden, die einen Standard-Einkaufswagen verwendet haben, im Durchschnitt rund 26 Euro im Geschäft ausgegeben haben, waren es bei den Kunden mit dem umgebauten Einkaufswagen rund 34 Euro – ein Unterschied von 8 Euro. Insgesamt wurden in dem Experiment 2359 Kunden an drei Tagen befragt. Nachfragen der Autoren ergaben, dass führende Hersteller von Einkaufswagen die Verwendung paralleler Griffe an ihren Wagen bisher gar nicht in Betracht gezogen hatten und überrascht waren, dass die Position der Griffe den Umsatz beeinflussen kann.
„Es war sehr überraschend für uns, dass eine kleine Änderung der Position der Griffe einen so großen Einfluss auf die Ausgaben der Käuferinnen und Käufer haben kann“, sagt Mathias Streicher. Umgekehrt können die Ergebnisse dieser Studie für die Verbraucherinnen und Verbraucher nützlich sein. „Wer vor Weihnachten die Ausgaben für Einkäufe und Geschenke im Rahmen halten möchte, sollte beim Reinlegen in den Einkaufswagen den Trizeps anspannen“, meint Streicher schmunzelnd. „Die Standard-Einkaufswagen scheinen jedenfalls das Einkaufsverhalten im Vergleich zu anderen möglichen Varianten eher zu bremsen. Dies könnte etwas weitergedacht aber auch die Effizienz beim Erledigen einer täglichen Routine beeinträchtigen, so zum Beispiel, wenn durch einen konsumhemmenden Einkaufswagen mehrere kleine Einkaufstouren notwendig sind, um den gleichen Wochenbedarf zu decken. Solche Ergebnisse sollten daher immer differenziert betrachtet werden.“
Die Studie Getting a Handle on Sales: Shopping Carts Affect Purchasing by Activating Arm Muscles von Zachary Estes und Mathias Streicher ist im November im renommierten Fachmagazin Journal of Marketing erschienen.