Die Corona-Krise hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig eine möglichst rasche Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen ist. Pharmazeutische Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten dabei mit aufwändigen Simulationen: Milliarden von Molekülen und deren Verhalten am Ziel-Virus bzw. an Proteinen werden am Computer simuliert, am Ende steht idealerweise genau das eine Molekül, das mit seinem Verhalten verhindert, dass das Virus an menschliche Zellen andockt oder sich vermehrt. „Derartige Berechnungen sind enorm zeitaufwändig. Die beiden derzeit leistungsstärksten Supercomputer-Cluster in Europa benötigen für eine einzelne derartige Simulation, in der alle möglichen Kombinationen von Molekülen getestet werden, 60 Stunden non-stop – dabei wurden 70 Milliarden Moleküle mit 15 Proteinen abgeglichen“, erklärt Univ.-Prof. Thomas Fahringer vom Institut für Informatik und dem Forschungszentrum Hochleistungsrechnen. Mit seinem Team und mehreren Kooperationspartnern aus Schweden, Tschechien, Österreich und Italien, darunter das große italienische Pharmaunternehmen Dompé, setzt er nun genau an dieser Zeitkomponente an: „Wir arbeiten daran, die wichtigsten Teile der Pharma-Anwendung von Dompé auf superschnelle GPU-Cluster zu portieren. Das ist extrem effiziente Beschleuniger-Hardware, die seit etlichen Jahren immer mehr mit Supercomputer-Hardware kombiniert wird, um damit enorme Rechengeschwindigkeiten zu erreichen. Das ist allerdings im Normalfall sehr aufwändig, weshalb wir gemeinsam mit einem Partner von der Universität Salerno das CELERITY-System entwickelt haben, mit dem die Programmierung derartiger GPU-Cluster stark vereinfacht wird.“ Damit arbeiten die Forscher*innen zugleich daran, bisher seriell, also hintereinander, ausgeführte Rechenschritte parallel auszuführen, also gleichzeitig auf einer sehr großen Zahl von Prozessoren.
Halbierte Rechenzeit
Ein erstes Ziel ist, die Rechenzeit für diese Experimente auf unter 24 Stunden zu drücken, das wäre mehr als eine Halbierung der derzeit nötigen Berechnungszeit – idealerweise lässt sich die Zeit aber noch deutlich weiter, z.B. auf wenige Stunden, reduzieren. „Das wäre ein bedeutender Meilenstein, um den sehr kostspieligen und zeitaufwändigen Prozess der Arzneimittelentwicklung massiv zu beschleunigen, und das mit einer Technologie, die wir hier in Innsbruck seit Jahren entwickeln.“ Das Projekt LIGATE, das als Teil des Euro-High-Performance-Computing-Joint-Undertaking der Europäischen Union läuft, fördert die Gruppe von Univ.-Prof. Fahringer mit rund 600.000 Euro – etwa die Hälfte dieser Förderung in Österreich übernimmt die Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die andere Hälfte kommt von der Europäischen Kommission. Erster Anwendungsfall für Dompé ist ein eigener Impfstoff gegen Covid-19, das System lässt sich aber natürlich an andere Medikamente anpassen. Und der Beitrag der Innsbrucker Informatiker unterstützt auch komplett andere Anwendungen: „Unser Firmen-Projektpartner in Österreich, die tofmotion GmbH, entwickelt Kameras, die Objekte auch bei schlechtem Wetter erkennen, und die im Rahmen autonom fahrender Autos zu Einsatz kommen. Hier spielt Geschwindigkeit natürlich eine große Rolle. Die erreichen wir durch das Innsbrucker CELERITY-System.“
Links
- Forschungsgruppe Distributed and Parallel Systems (DPS) am Institut für Informatik
- LIGATE-Projektwebsite