Die Tiefbohrprogramme ICDP und IODP gelten für heimische Forscherinnen und Forscher als Eintrittskarte in die „Unterwelt“, die Finanzierung der Großprojekte ist aber stets mit Herausforderungen verbunden. Es sind spektakuläre Forschungsvorhaben, an denen österreichische Forscher*innen in den vergangenen Jahren durch die Beteiligung an den beiden Programmen teilgenommen haben. So ist Michael Strasser einer der Leiter einer Tiefsee-Bohrung im „Pazifischen Feuerring“, um die Geschichte der oft gigantischen Beben vor der Küste Japans zu rekonstruieren. Strasser ist Leiter der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie und der Austrian Core Facility für wissenschaftliche Bohrkernanalysen an der Universität Innsbruck. Im Frühjahr ist der Expedition der Rekord gelungen, 8.023 Meter unter dem Meeresspiegel einen 38 Meter langen Bohrkern zu entnehmen. In seinem Vortrag „The deepest of the deep: Spuren von Großerdbeben im Japanischen Tiefseegraben“ gewährte Strasser Einblicke in den bisherigen Fortschritt der IODP-Expedition 386 „Japan Trench Paleoseismology“. Auch Jasper Moernaut vom Institut für Geologie war beim Symposium unter den Redner*innen und berichtete über Perspektiven für künftige Projekte in Guatemala in seinem Vortrag. Ebenfalls von der Uni Innsbruck präsentiert Yin Lu unter dem Titel „ICDP Dead Sea Deep Cores: A window Into Past (220 kyrs) Climate and Seismicity“ seine Forschungsarbeit.
Finanzierungsfragen
Der wissenschaftliche Lohn dieser Beteiligungen durch Forscher*innen der österreichischen Universitäten an ICDP- und IODP-Projekten sind zahlreiche Publikationen, die in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurden. „Österreich bekommt damit auch Zugang zu Geräten, Ideen und Gehirnschmalz und es zeigt sich, dass unsere Expertise international durchaus geschätzt wird und wir an führender Stelle mit dabei sein können“, betont der Geochemiker Christian Köberl von der Universität Wien. Er ist Obmann der Kommission für Geowissenschaften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die das Symposium „Keep Drilling: Die erdwissenschaftlichen Tiefbohrprogramme ICDP & IODP“ online veranstaltete. Zudem bedeute die Beteiligung auch Attraktivität und Perspektive für junge Wissenschafter*innen. Und das für eher symbolische Mitgliedsbeiträge von 50.000 Dollar (44.000 Euro) beim ICDP bzw. 100.000 Dollar beim IODP– Beträge, die laut Köberl seit 2001 (ICDP) bzw. 2004 (IODP) gleich geblieben sind. Das Geld kommt vom Wissenschaftsministerium, abgewickelt wird die Beteiligung von der ÖAW über deren Leistungsvereinbarung. „Weil klar ist, dass mit dem gleichen Geld über die Jahre und Jahrzehnte immer weniger möglich ist, versuchen wir, das auf neue Beine zu stellen“, betonte Köberl eine der Motivationen für die Veranstaltung. Ziel sei es, für die nächste Leistungsvereinbarungs-Periode ab 2024 eine Erhöhung der österreichischen Mitgliedsbeiträge zu erreichen. Auch Michael Strasser, der das Symposium für IODP ebenfalls mitorganisiert hat, schließt sich dieser Forderung seines Kollegen an.
Das eigentliche Problem sind allerdings nicht die Mitgliedsbeiträge, sondern speziell die Finanzierung von Bohrprojekten beim ICDP. Dort könne man aus einem Mitgliedsland kommend zwar Projekte beantragen, aber zu den Kosten etwa eines Bohrprojekts trage das Programm durchschnittlich nur 20 Prozent bei. Für das Gros müssten die beteiligten leitenden Wissenschaftler*innen über die jeweiligen nationalen Förderorganisationen aufkommen.
Vielfältige Projekte
Mehr als 100 österreichische Beteiligungen gab es in den vergangenen 20 Jahren an ICDP und IODP Projekten, von Bohrungen im Pazifik bis zu solchen in Alpentälern. Angesichts eines sich abzeichnenden Generationswechsels versuche man mit dem Symposium auch zu zeigen, dass weiterhin Interesse an den Tiefbohrprogrammen bestehe. Schließlich gehe es darum, „grundlegende und global bedeutsame Kenntnisse über die Struktur, Zusammensetzung und Prozesse der Erdkruste zu gewinnen“.
In aktuell mehr als 50 Bohrprojekten versuche man Fragen etwa über die Evolution der Erde und die Entstehung des Lebens, über von geologischen Prozessen ausgehende Naturgefahren wie Vulkanausbrüche oder Erdbeben, über die Nutzung von Georessourcen wie Erdwärme oder über die Wechselbeziehungen zwischen Klima und geologischen Prozessen zu beantworten.
Donnerstag, 09.12.2021, 13:30
ONLINE (ZOOM)
Online-Teilnahme über diesen Zugangslink: https://www.oeaw.ac.at/veranstaltungen/live
(APA/red)