Piburger See
Der Piburger See wurde als einer von 139 Seen in der Studie untersucht.

Klima­erwär­mung ver­än­dert Habi­tate in Seen

Bedingt durch das sich erwärmende Klima werden viele Arten aus ihren ursprünglichen Habitaten in den Seen verdrängt. Ob sie neue Lebensräume finden und dort überleben können, hängt von vielen Faktoren ab. Ruben Sommaruga war an einer Studie beteiligt, geleitert von Benjamin M. Kraemer (IGB, Berlin), deren Ergebnisse nun im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht wurde.

Über 32 Millionen Temperaturdaten, gesammelt in 139 Seen in einem Zeitraum von über 30 Jahren, geben nun Einblicke in die tiefgreifenden Veränderungen in Seen. Nicht nur die Temperatur hat sich, bedingt durch den Klimawandel, erhöht. Damit einher geht auch die maßgebliche Veränderung der Lebensräume vieler Arten in Seen, wie Fischen, Zooplankton, aber auch Primärproduzenten. „Im Moment erwarten wir eine Neuverteilung von Habitaten auf der Erde. Erstmals konnten wir zeigen, dass sich die Lebensräume für Arten nicht nur an Land, sondern auch in Seen drastisch verändern werden“, erläutert Ruben Sommaruga, Professor am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck. Bedingt durch die Klimaerwärmung verändert sich auch die Temperatur in den Seen. Arten, die etwa auf bestimmte Temperaturen oder einen bestimmten Sauerstoffgehalt angewiesen sind, werden versuchen, in andere Tiefen und Gegenden des Sees zu wandern, um dort einen neuen Lebensraum zu finden. Ob sie sich dort ansiedeln können, bleibt allerdings offen. „In anderen Regionen im See gibt es bereits dort heimische Arten, mit denen die Neuankömmlinge konkurrieren müssen. Vor allem invasive Arten, Generalisten, die sich gut auf neue Bedingungen einstellen können, werden sich wahrscheinlich noch weiter ausbreiten können und schwächere Arten verdrängen. Es ist zu erwarten, dass viele Arten, vor allem endemische, nicht überleben werden“, so der Ökologe. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt haben gemeinsam ein Modell entwickelt, um die Entwicklungen der Biodiversität zu berechnen. „Seen in den Tropen sind noch stärker von einem Artensterben und einer Veränderung der Biodiversität betroffen als Seen in höheren Lagen. Veränderungen wird es aber überall geben“, verdeutlicht Sommaruga. Mit ihrer Forschung wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu beitragen, die Veränderungen der Habitate zu verstehen, sie zu berechnen und so Arten und die Biodiversität zu schützen.

Aufwändige Berechnungen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler greifen für ihre Berechnungen auf Temperaturdaten in 139 Seen in den Jahren von 1978 bis 1995 und im Zeitraum von 1996 bis 2013 zurück. Damit verfügen sie über Aufzeichnungen aus zwei Zeiträumen, die unterschiedlich von der Klimaerwärmung beeinflusst waren. Für die Veränderung der Biodiversität im See spielen nicht nur die Temperatur, sondern auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle. Auch der Sauerstoffgehalt oder die Konkurrenz mit anderen veranlasst Arten, ihr Habitat zu wechseln. „Mit unseren Forschungen ist es erstmals gelungen, die Veränderungen der Habitate zu berechnen. Vergleicht man den Verlust von Biodiversität in marinen und terrestrischen Bereichen mit den Lebensräumen in Seen, dann können wir feststellen, dass es in Süßwasser die größten Verluste geben wird“, so Sommaruga. Unterschiede stellen die Forscherinnen und Forscher vor allem auch zwischen Seen in unterschiedlichen Höhenlagen fest. Besonders betroffen von den Veränderungen sind Habitate in tropischen Seen. Hier beeinflusst die sogenannte Saisonalität zusätzlich die klimabedingten Temperaturveränderungen. „Die Temperaturen in den verschiedenen Schichten im See variieren in Seen in höheren Lagen viel stärker. Zudem sind Seen in unserer Region einer klar definierte Saisonalität unterworfen und durchmischen normalerweise sich jährlich im Frühjahr und im Herbst komplett. Das verändert die Temperatur, Sauerstoffgehalt und die Nährstoffe im See, wodurch die Arten haben Möglichkeit haben, andere Umweltbedingungen zu finden, die nicht so stark vom Klimawandel abhängig sind“, erläutert der Ökologe. Seen in den Tropen hingegen haben immer eine weniger variable Temperatur. Die Chance, neue Lebensräume zu finden, ist daher geringer. Das internationale Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat ein Modell entwickelt, mit dem die Veränderungen in Seen berechnet werden können. Damit bekommen Expertinnen und Experten weltweit die Möglichkeit, auf die prognostizierten Veränderungen in Seen zu reagieren, um die Biodiversität zu schützen.

Publikation: Climate change drives widespread shifts in lake thermal habitat. Benjamin M. Kraemer1, Rachel M. Pilla , R. Iestyn Woolway , Orlane Anneville , Syuhei Ban , William Colom-Montero , Shawn P. Devlin , Martin T. Dokulil , Evelyn E. Gaiser ,  K. David Hambright , Dag O. Hessen , Scott N. Higgins, Klaus D. Jöhnk, Wendel Keller ,  Lesley B. Knoll , Peter R. Leavitt , Fabio Lepori , Martin S. Luger , Stephen C. Maberly ,  Dörthe C. Müller-Navarra , Andrew M. Paterson , Donald C. Pierson , David C.  Richardson , Michela Rogora , James A. Rusak , Steven Sadro , Nico Salmaso , Martin  Schmid , Eugene A. Silow , Ruben Sommaruga , Julio A.A. Stelzer , Dietmar Straile ,  Wim Thiery , Maxim A. Timofeyev , Piet Verburg , Gesa A. Weyhenmeyer , Rita Adrian.

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