Die römische Stadt Aguntum lockt mit ihrer alpinen Lage und der in die Berge transferierten mediterranen Architektur sowie die besondere wirtschaftliche Grundlage auf alpinen Ressourcen zahlreiche Archäologinnen und Archäologen an, die die Geheimnisse von Aguntum lüften möchten. Unter der Leitung von Martin Auer vom Institut für Archäologien an der Uni Innsbruck, wird im kommenden Sommer erstmals eine Summer School für alle Interessierten angeboten. Aguntum ist eine von fünf Städten in der Provinz Noricum die unter Kaiser Claudius im 1. Jahrhundert nach Christus das Stadtrecht erhalten hat. „Spannend ist vor allem das alpine Kleinstadtszenario, und die hervorragende Verkehrssituation mit der Anbindung in die Alpen sowie in den Süden oder in die Hohen Tauern. Auch die Frage nach der Entstehungsgeschichte des römischen Munizipiums ist noch nicht vollständig geklärt“, erläutert Auer, der betont, dass die Studierenden am Grabungsplatz in Osttirol nicht nur von reichen Fundstellen, sondern auch von der hervorragenden Infrastruktur vor Ort profitieren. „Neben einem großen Praxisanteil im Feld erwartet die Teilnehmenden an der Summer School eine umfassende Einführung in die Geschichte des Ostalpenraumes sowie Exkursionen zu den spannendsten Fundplätzen der Region“, so der Archäologe. Aguntum vereinte die alpinen Strukturen mit einer starken Anbindung an den Süden, die vor allem in den vorrangig im mediterranen Raum gängigen Hausformen und Stadtstrukturen ersichtlich wird. „In Aguntum gibt es etwa einen Marktplatz, ein Macellum, einen Fleischmarkt, der in dieser Form als Rundbau in den nördlichen Provinzen nicht zu finden ist“, verdeutlicht Auer. Erklärungen gäbe es dafür zwei unterschiedliche, so der Experte, „entweder wollten sich die Ansässigen als Römer präsentieren, oder Händlerfamilien aus dem Süden haben ihr Wissen sowie Technologien und Bauformen mitgebracht.“ Neben den architektonischen Besonderheiten ist auch die wirtschaftliche Grundlage von Aguntum bemerkenswert. Die Archäologinnen und Archäologen konnten den bisher für eine römische Stadt unüblichen Handel mit Bergkristallen im großen Ausmaß nachweisen. „So große Mengen an Bergkristall gibt es sonst nirgends. Der archäologische Befund deutet darauf hin, dass die aus der Tauernregion stammenden Kristalle, in Aguntum aussortiert und weiterverhandelt wurden. Das ist ein einzigartiger Wirtschaftszweig für eine römische Stadt“, so Auer. Detailliertere Informationen zum Ablauf des Bergkristallhandels erhoffen sich die Archäologen von der derzeit laufenden Fortführung der Grabungen im Händlerforum.
Grabungserfahrung im Sommer 2021
Bereits seit 30 Jahren ist Aguntum Schauplatz für Grabungen und Lehrgrabungen an der Universität Innsbruck. Basierend auf diesen umfangreichen Erfahrungen möchte Auer dieses Wissen auch an internationale Studierende sowie an Archäologie Interessierte im Rahmen einer Summer School, angeboten von der universitären Weiterbildung, weitergeben. Über vier Wochen bekommen die Teilnehmenden in einem theoretischen Teil einen Überblick über die Geschichte des Ostalpenraums mit Schwerpunkt in der römischen Zeit und lernen Dokumentationstechniken wie Zeichnungen, 3D-Aufnahmen, Fotografie oder Fotogrammetrie. Nach diesen Einführungen werden die Teilnehmenden einen Bereich der aktuellen Ausgrabung in Aguntum, in Kleingruppen, bearbeiten. „Die Praxisarbeit auf der Grabung umfasst die Freilegung, Beschreibung und Vermessung der archäologischen Befunde, Bergung und Erstversorgung des Fundmaterials sowie die weitere Bearbeitung und Interpretation der Funde und Befunde. Begleitend werden Kurse zum aktuellen Diskurs feldarchäologischer Methoden sowie zum weiteren geschichtlichen Rahmen des Ausgrabungsplatzes in römischer und spätantiker Zeit angeboten“, verdeutlicht Auer. Am Ende der Summer School haben die Teilnehmenden den gesamten Grabungsablauf kennengelernt und sollen anschließend in der Lage sein, selbstständig archäologische Grabungsarbeiten durchzuführen und diese nach den derzeit geltenden Standards zu dokumentieren.