Wilfred Uunk hat sich der Makrosoziologie und sozialen Ungleichheiten verschrieben. In den letzten Jahren legte der Soziologieprofessor seinen Fokus auf Genderunterschiede. Er untersucht unter anderem die Entwicklung der Arbeitsmarktbeteiligung sowie die weibliche Repräsentation in den MINT-Fächern. Der Begriff MINT steht für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. „In diesem Bereich gibt es eine starke Unterrepräsentation von Frauen. Es besteht eine große soziale Ungleichheit“, erklärt Uunk. Die Gründe hierfür sind aus Sicht des Forschers vielfältig und bedürfen einer umfassenden Erforschung. Zahlreiche junge Frauen verfügen über eine gute Ausbildung, trotzdem haben sie in vielen Fällen weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“ Insbesondere im männerdominierten MINT-Bereich besteht ein großer Personalbedarf. „In meine Überlegungen ziehe ich dabei, die gute finanzielle Entlohnung, persönliche Beweggründe sowie die Aufstiegschancen mit ein. Zwischen den Lebensläufen von Frauen und Männern bestehen große Unterschiede.“ In Zuge dessen widmet er sich auch den institutionellen Effekten sowie informellen Regeln. Häufig arbeitet er ländervergleichend, um weitere Schlüsse ziehen zu können. „In manchen afrikanischen Ländern zeichnet sich ein völlig anderes Bild ab. Aufgrund des ökonomischen Drucks und der Arbeitsplatzsicherheit wählen mehr Frauen einen MINT-Beruf. Es muss noch im Detail erforscht werden, warum sich die Lebensläufe von Männern und Frauen in unseren modernen Gesellschaften so wesentlich unterscheiden.“ Bei seinen Forschungen stellt sich Wilfred Uunk stets die Frage, wie Ungleichheiten behoben werden können. Dazu zieht er unterschiedliche Faktoren in Betracht. Als Makrosoziologe untersucht er den Kontext in dem wir leben und versucht Erklärungen anhand von sozialen Merkmalen zu finden. Der Fokus kann dabei auf unterschiedliche Konstellationen gerichtet sein, wie beispielsweise auf Paarbeziehungen, eine Schulklasse oder auf ein Bundesland.
Puppen und Spielzeugautos
„Es ist erstaunlich, dass es in unserer modernen Gesellschaft nach wie vor große Unterschiede zwischen Frauen und Männern bestehen. Mein Forschungsinteresse richtet sich dabei auf die Gründe für diese Umstände.“ In seiner Arbeit setzte sich der Niederländer mit den ökonomischen Folgen von Ehescheidungen auseinander und befasste sich mit den Wohlfahrtsleistungen verschiedener europäischer Staaten. Sein Interesse richtet Uunk auch auf die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dabei stellt er sich die Frage inwieweit das Angebot von Kindergartenplätzen in verschiedenen europäischen Ländern den Anteil von berufstätigen Frauen erhöht. „In Staaten mit einem umfassenden Kinderbetreuungsangebot, konnte eine hohe Anzahl von arbeitenden Müttern festgestellt werden. Wobei stets die Gegenargumente für solche Effekte in Betracht gezogen werden müssen.“ Als Wissenschaftler ist es Uunk ein Anliegen, andere Disziplinen in seine Überlegungen miteinzubeziehen. „Die verschiedenen Wissenschaften hängen eng zusammen und jede Disziplin liefert unterschiedliche Erklärungen. In der Soziologie spielen Normen eine wichtige Rolle. In manchen Gesellschaften stößt die Möglichkeit für Kleinkinderbetreuung auf Ablehnung. Dabei können die Eltern, Freunde oder auch Nachbarn eine Rolle spielen.“ Diese Annahmen möchte er im Detail erforschen, um Effekte nachhaltig beschreiben zu können. „Das Thema Gender ist hochaktuell. Es ist immer noch so das Mädchen mit Puppen spielen und Buben mit Spielzeugautos.“ Seine Forschungsergebnisse wurden in Zeitschriften wie Acta Sociologica, European Sociological Review, European Journal of Population, Social Indicators Research und Social Science Research veröffentlicht.
Werkzeug liefern
Zu seinen Forschungsfeldern gehört auch das Thema Migration und Integration. „Es wird oftmals die Annahme getroffen, dass es zu Problemen bei der Integration kommt. Im Rahmen von Untersuchungen versuche ich herausfinden, welche Gründe dafür ausgemacht werden können.“ Um Erkenntnisse zu gewinnen, erforscht der Niederländer Bildungswege, Migrationsstatus und versucht Ähnlichkeiten auszumachen. „Es konnte festgestellt werden, dass die Ausbildung einen bedeutsamen Einfluss nimmt. Die Situation gestaltet sich nicht so negativ, wie sie oftmals in den Medien dargestellt wird.“
Als Lehrender hat er sich das Ziel gesetzt, die Studierenden für verschiedene Themen zu interessieren und theoretische Grundlagen ansprechend aufzuarbeiten. „Ich möchte zeigen, wie wichtig die Soziologie als Erklärungswerkzeug sein kann.“ Dem Wissenschaftler geht es darum Themen im Kontext zu sehen. „Ein Verhalten kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden beispielsweise psychologisch, ökonomisch oder soziologisch. Es gibt die unterschiedlichsten Faktoren, die eine Rolle spielen können.“ In seiner Freizeit ist Wilfred Uunk gerne mit seinem Rennrad unterwegs und unternimmt Wanderungen in den Bergen. Daneben spielt der Niederländer mit viel Freude und Leidenschaft Gitarre.
Zur Person
Wilfred Uunk hat in Utrecht Soziologie studiert. Im Jahr 1996 wurde er in Nijmegen mit dem Thema Homogamie (Similarität in Partnermerkmalen) promoviert. Zwischen 1996 und 1998 war er Postdoc am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin (Thema: Job-Mobilität in Ost- und Westdeutschland), und von 1998 bis 2002 an der Universität Utrecht (Thema: Wiederverheiratung). Danach hat er von 2002 bis 2017 am Institut für Soziologie der Universität in Tilburg gearbeitet, zuerst als Postdoc, danach als Junior-Professor für Soziologie (Themen: Scheidung, Gender und Arbeit, Migration, Welfare Solidarity). Von 2017 bis 2020 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Lehrstuhl für Soziologie I an der Universität Bamberg (Thema: Gender und Bildung), und von 2020-2021 Senior Researcher an der Hochschule Den Haag. Im Mai 2021 hat er eine Professur in Soziologie am Institut für Soziologie an der Universität Innsbruck angenommen.