Die Geologin und Höhlenforscherin Prof. Gina Moseley entdeckte während einer Expedition im Jahr 2015 Mineralablagerungen in Grönland, einem für den Klimawandel hochsensiblen Gebiet. Der Fundort in der Höhle liegt auf 80° Nord, 35 Kilometer von der Küste und 60 Kilometer vom Rand des grönländischen Eisschildes entfernt. Die Expedition fand im Rahmen des „Greenland Caves Project“ statt, das von 59 verschiedenen Sponsoren, darunter die National Geographic Society, finanziert wurde. Moseley und ihr Team arbeiten im Feld der Paläoklimaforschung und interessieren sich für Klimadaten, die in Höhlenablagerungen häufig hunderttausende Jahre gespeichert bleiben. „In der abgelegenen Höhle in Grönland haben wir einen Bodensinter gefunden, eine etwa 12 Zentimeter große Probe entnommen und dann analysiert. Diese Art der Höhlensedimente ist verwandt mit den Tropfsteinen, bildet aber flächige Ablagerungen, die aus einem langsam fließenden Wasserfilm auskristallisieren", erklärt Moseley von der Arbeitsgruppe für Quartärforschung. In einem arktischen Gebiet überhaupt eine Ablagerung dieser Art zu finden, ist für sich genommen bereits außergewöhnlich, wie die Geologin erklärt: „Heute ist diese Region eine polare Wüste mit Permafrost. Damit sich eine solche Ablagerung bilden konnte, muss das Klima zu jener Zeit wärmer und feuchter gewesen sein als heute. Der Zeitraum zwischen etwa 588.000 bis 549.000 Jahren vor heute gilt eigentlich als global kühl im Vergleich zur Gegenwart. Das Wachstum dieses Bodensinters zu dieser Zeit zeigt aber, dass die Arktis wärmer als heute gewesen sein muss.“ Die Studie wurde im Fachmagazin Science Advances veröffentlicht.
Lokale Schwankungen
Die Berücksichtigung regionaler Unterschiede in der Entwicklung des Klimas sind insbesondere für künftige Entwicklungen in einer wärmeren Welt zentral. „Die Daten aus dieser Höhlen zeigen, dass die Arktis als Folge der damaligen Stellung der Erde zur Sonne ungewöhnlich warm war. Ausgelöst durch die wärmeren Temperaturen schrumpfte die Ausdehnung des Meer-Eises in der Arktis. Die aus diesen eisfreien Gewässern verdunstete Feuchtigkeit wurde nach Nordostgrönland transportiert", ergänzt Moseley. Die Höhlenablagerung bietet darüber hinaus die Möglichkeit, das Wissen über die Klima-Geschichte Grönlands und die hydrologischen Bedingungen jenseits der zeitlichen Grenze der grönländischen Eisbohrkerne hinaus auszubauen: Diese wichtigen Zeugen des Klimas reichen nur 128.000 Jahre in die Vergangenheit. Moseley verwendete dazu modernste Methoden wie die Uran-Thorium-Datierung. „Da die Grönland-Eisbohrkerne im wesentlichen die letzte Eiszeit und damit kalte Klimaphasen umfassen, bieten unsere Analysen ein schönes Gegenstück mit Bezug auf vergangene Warmzeiten“, erklärt die Geologin. „Die Arktis erwärmt sich mehr als doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. Besser zu verstehen, wie sich dieser sensible Teil der Welt in einer wärmeren Welt verändert, ist für die Zukunft von höchster Priorität.“
Wertvolles Klimaarchiv
Gina Moseley erkannte die Bedeutung der Höhlen im Nordosten Grönlands bereits 2008 während ihrer Promotion in Bristol, Großbritannien. Im Jahr 2015 leitete sie eine fünfköpfige Expedition: Die Höhlen Grönlands sind nur auf sehr beschwerlichem Weg über Luft und Wasser sowie mit langen Fußmärschen erreichbar. Moseley erlangte dadurch erstmals Zugriff auf das einmalige hocharktische Klimaarchiv. Dafür wurde die Geologin mit dem renommierten START-Preis des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) ausgezeichnet, der es ihr ermöglicht, weiter an Grönlands Klimaarchiv zu arbeiten. Im Juli 2019 brachen Moseley und ihr Team des Greenland-Caves-Project wieder für eine dreiwöchige Expedition nach Nordost-Grönland auf.
Links
- G. E. Moseley, R. L. Edwards, N. S. Lord, C. Spötl, H. Cheng: Speleothem record of mild and wet mid-Pleistocene climate in northeast Greenland. Sci.Adv. 2021, 7: eabe1260 DOI: 10.1126/sciadv.abe1260
- Weitere Grönland-Expeditionen mit Bildmaterial von Robbie Shone
- Video: Gina Moseley und ihre Arbeit mit arktischen Tropfsteinen
- Greenland Caves Project
- Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie