Blick in das Archäologische Universitätsmuseum mit der Ausstellung „La Collezione LVISE“

„Die Sammlung Lvise“ im Archäologischen Universitätsmuseum im ATRIUM – Zentrum für Alte Kulturen.

Auss­tel­lung „La Col­le­zione LVISE“ im Archäo­lo­gi­schen Uni­ver­si­täts­mu­seum

Nach mehrmaliger Verschiebung konnte im März 2022 die Ausstellung „La Collezione LVISE“ mit Werken des Wiener Künstlers Rainer Prohaska im Archäologischen Universitätsmuseum Innsbruck gezeigt werden.

Ziel des Wiener Künstlers Rainer Prohaska war es, anlässlich des Maximilianjahres 2019 die im Zuge einer fiktiven archäologischen Ausgrabung gefundenen Kunstwerke der „Sammlung Luise von Savoyen“ aus dem ehemaligen Besitz von Kaiser Maximilian I. zu entwerfen, anzufertigen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Projekt „LVISE“ verstand sich als künstlerisches Spiel mit der Authentizität, Autorenschaft und Wahrhaftigkeit in der Kunst bzw. Kunst-Geschichtsschreibung, thematisierte die Grauzone zwischen Realität und Fiktion bei der Überlieferung von historischen Ereignissen und setzte sich mit der Frage nach dem Umgang zeitgenössischer Kunst mit historischen Stilen und aktuellen Interpretationen der Historie auseinander.

Installation einer archäologischen Ausgrabungsstätte in Thaur

Ausgangspunkt von Prohaskas Konzept war eine als künstlerisch und geschichtlich angesehene Intervention im öffentlichen Raum implementierte, zunächst fiktive Ausgrabungsstätte, die in Zusammenarbeit mit dem Verein Chronos innerhalb der Vorburg der Burgruine Thaur „real“ umgesetzt werden konnte. Im Oktober 2019 wurden dabei zwei große hölzernen Kisten mit Resten einer verschollen geglaubten Kunstsammlung aus dem 15. Jahrhundert „entdeckt“, die Kaiser Maximilian der Überlieferung nach seiner Freundin Luise von Savoyen (1476–1531), der Mutter des französischen Königs Franz I., geschenkt haben soll bzw. schenken wollte. Die gefundenen Dokumente u.a. das „Libro die Modi“ und Kunstwerke stammten aus dem Werk der in der Kunstgeschichte kaum wahrgenommenen Künstlergruppe „Cavalleria Gialli Dell'Assenza“.

Die Künstlergruppe „Cavalleria Gialli Dell'Assenza“

In einem zweiten Schritt ging es Prohaska daher um die Entwicklung der Ästhetik der „gefundenen“ Sammlung und dazu um die Konzeption einer eigenen Künstlergruppe, der „Cavalleria Gialli Dell'Assenza“. Diese gründete sich, mit Mitgliedern vornehmlich aus Italien und Frankreich, vermutlich im frühen 13. Jahrhundert und daher prägte das Hochmittelalter deren ursprünglichen Stil. Anfangs arbeiteten die meisten Mitglieder der „Cavalleria“ noch an kirchlichen Aufträgen, um wirtschaftlich überleben zu können. Mehr und mehr wandten sie sich jedoch künstlerischen Aktivitäten zu, die nicht an sakrale Aufträge und Produktionen gebunden waren. Erste Werke der „Cavalleria“ sind dem Stil der Romanik zuzuordnen. Während sich die sakrale Kunst in eine realistische und komplexe Richtung hin zur Renaissance entwickelte, verstärkten die „Cavalleria" ihre schlichte Ausprägung und den radikal minimalistischen Ansatz. Die Künstler verfolgten eine kontinuierliche Reduktion der Bild- und Formsprache und distanzierten sich immer mehr von sakralen Sujets. Den stilistischen Höhepunkt dieser kaum wahrgenommenen Entwicklung hatten die Werke, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts hergestellt wurden. Im auslaufendem 15. Jahrhundert wurden der „Cavalleria" nach einem Dekret der Kirche sämtliche künstlerische Aktivitäten untersagt und aufgrund von Verfolgung und Ermordung einiger Mitglieder löste sich die Gruppe im beginnenden 16. Jahrhundert auf.

„Die Sammlung Lvise“ im Archäologischen Universitätsmuseum im ATRIUM-Zentrum für Alte Kulturen.

Bild 2: „Die Sammlung Lvise“ im Archäologischen Universitätsmuseum im ATRIUM-Zentrum für Alte Kulturen (Credit: Florian M. Müller)

„Il Libro dei Modi“ als Vorbild für zeitgenössische Werke

Manifestiert wurde die progressive künstlerische Vision der Gruppe in dem langen verschollenen und bei den Grabungen in Thaur „wiederenteckten“ Dokument „l Libro Dei Modi“, das nicht nur als künstlerische Philosophie, sondern auch als Vermächtnis der „Cavalleria Gialli Dell'Assenza“ angesehen werden kann. Zentraler Inhalt des Buches sind Beispiele und Anleitungen für Arbeiten im Stil der „Cavalleria”. Verfasst wurde es somit um eine Fortführung des reduzierten Stils mit Anleitungen für nachkommende Künstler zu sichern.

Prohaska stellte daher im Rahmen des Projektes „LVISE“ das Kunstbuch „Il Libro Dei Modi“ als zentrales Ausstellungsobjekt her, genauso wie eine Reihe von fiktiven Exponaten, die er gemäß dem „Libro Dei Modi“ angefertigt und zeitgenössische interpretiert hatte um damit den „Spirito di Cavalleria Gialli Dell'Assenza“ fortzuführen. Diese im Rahmen des 2020 mit dem Tiroler Museumspreis ausgezeichneten Projektes „Die Sammlung Lvise“ geschaffenen Objekte, konnten nun im Archäologischen Universitätsmuseum Innsbruck präsentiert werden.

Der Künstler Rainer Prohaska

Rainer Prohaska hat an der Kunstuniversität Linz und an der Universität für angewandte Kunst in Wien „Experimentelles Gestalten“ bei Karel Dudesek studiert und 2005 mit Auszeichnung bei Peter Weibel sein Studium abgeschlossen. Rainer Prohaska ist mit seinen Installationen, Skulpturen, Architektur-Experimenten und grafischen Arbeiten international erfolgreich. Der öffentliche Raum als Begegnungsort und Feld für soziale Interaktionen ist sein bevorzugtes Handlungsfeld. Er nahm an Artist-in-Residence Programmen weltweit teil, wie zum Beispiel am Creative Fusion AIR, Cleveland Foundation, Cleveland, Ohio, USA (2016), im Zhujiajiao Himalaya Art Museum, Shanghai, China (2014), im Gyeonggi Creation Center Residency, Ansan Si, South Korea (2010–2011) und am Rauma Artist-in-Residence Programm, Finnland (2008). Er erhielt 2009 das MAK Schindler Stipendium und wurde 2015 mit dem Staatstipendium für Bildende Kunst vom Bundeskanzleramt ausgezeichnet.

 (Florian M. Müller)

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