Vergangene Woche wurde die UN-Klimakonferenz, COP 27, in Ägypten abgehalten. Auch die Universität Innsbruck war vertreten: Fabien Maussion ist assozierter Professor am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften und forscht in der Arbeitsgruppe „Ice and Climate“. Als Wissenschaftler und Experte wurde er von der NGO „International Cryosphere and Climate initiative“ (ICCI) zur Teilnahme an der Konferenz eingeladen.
ICCI wurde von einer ehemaligen Diplomatin gegründet, die auch selbst an COP-Verhandlungen beteiligt war. Die NGO hat die Aufgabe, Klima- und Kryosphärenwissenschaft an die Politik heranzutragen und ist jedes Jahr mit einem Pavillon auf der COP vertreten. Dort veranstaltet sie für die Delegierten der UN-Staaten ein wissenschaftliches Nebenprogramm. Auch Maussion hielt dort dieses Jahr Vorträge zum Meeresspiegelanstieg und zu seinem Hauptthema, den schwindenden Gebirgsgletschern.
Die dringend notwendigen Maßnahmen fehlen
„Für mich war es das erste Mal auf der COP“, sagt Maussion. „Es war eine sehr besondere Erfahrung, zu sehen, wie Wissenschaft von Entscheidungsträger*innen angenommen wird – oder auch nicht. Mir ist besonders aufgefallen, wie vielen Leuten auf der Konferenz trotz aller Kommunikation das Ausmaß des Problems nicht bewusst ist – dass so viele Gebirgsgletscher schon verloren sind und weiter schmelzen, aber vor allem auch das Problem des Meeresspiegelanstiegs. Ob wir von 1,5 oder 2 Grad Temperaturanstieg reden, macht einen riesigen Unterschied. Aber dafür ist viel weniger Bewusstsein da als angenommen. Ich habe gesehen, wie die Verhandlungen und der UN-Apparat ablaufen und als Wissenschaftler ist mir klar geworden, wie viel Arbeit noch notwendig ist, damit unsere Ergebnisse auch richtig ankommen.“
Den Abschluss der COP27 betrachtet Fabien Maussion mit gemischten Gefühlen. Es gibt einige Lichtblicke und postivie Entwicklungen, doch alles in allem waren die Ergebnisse der Konferenz vor allem eines: nicht genug.
„Was die Ergebnisse der COP angeht, bin ich, so wie die meisten Wissenschaftler*innen, sehr enttäuscht. Die Klimaschutz- und Emissionsmaßnahmen sind nicht klar genug formuliert, was tatsächlich in naher Zukunft gemacht werden soll, bleibt vage. Die Nationen bekennen sich zum 1,5-Grad-Ziel, aber nirgendwo steht, wie dieses erreicht werden soll. Auch der dringend notwendige Ausstieg aus fossilen Energien wird im Dokument weder erwähnt noch gefordert.“
Ein Fortschritt für die Kryosphäre
Einen großen Forschritt sieht Maussion darin, dass zum ersten Mal die Kryosphäre im Abschlussdokument der COP Erwähnung findet. Die Kryosphäre ist die Gesamtheit des festen Wassers, das auf der Erde vorkommt, also allen voran das Polareis und die Gebirgsgletscher. „In der Erklärung zu Beginn des Dokument steht, dass alle an der Konferenz teilnehmenden Staaten die Wissenschaft des IPPC-Berichtes anerkennen“, sagt Maussion. „Damit wird auch indirekt die enorme Bedeutung der Kryosphäre anerkannt. Bisher ist sie aber nie direkt erwähnt und in den Hauptverhandlungen nie besprochen worden. Dabei ist die Kryosphäre extrem wichtig für unsere Lebensräume, die durch den Meeresspiegelanstiegs bedroht werden. Nun steht sie zum ersten Mal im Dokument, auch die Gefahr eines Kipppunktes wird erwähnt. Die Staaten haben sich darauf geeinigt, dass die Kryosphäre geschützt werden muss.“
ICCI gelang es während der COP 27, eine Gemeinschaft von 20 Staaten zu einer High-Level-Group zusammenzubringen, die in einem gemeinsam unterschriebenen Dokument die Bedeutung der Kryosphäre und die Gefahren des Meeresspiegelanstieges betonten. Zu den Staaten zählten unter anderem Chile, Peru Island, Neuseeland – und auch Österreich, das jedoch erst im Nachhinein unterzeichnete und deswegen auf der Webseite noch nicht erwähnt wird. Die High-Level-Group will nun darauf hinarbeiten, dass die Folgen der Kryosphärenverluste von der Politik besser verstanden werden und dem Thema größere Aufmerksamkeit gewidmet wird.