Die Autorinnen Christina Riccabona und Erika Wimmer Mazohl.
Die Autorinnen Christina Riccabona und Erika Wimmer Mazohl.

Eri­ka Dan­ne­ber­g: Ein­satz für ei­ne bes­se­re Welt

Der Internationale Frauentag am 8. März richtet sich jedes Jahr gegen Diskriminierung und Ausbeutung und steht für Geschlechtergleichstellung. Am Brenner-Archiv wird zu diesem Anlass das Lebenswerk der österreichischen Schriftstellerin, Friedensaktivistin und Psychoanalytikerin Erika Danneberg sichtbar gemacht.

Aus zahlreichen Nachlässen werden am Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck spannende Fakten, Hintergründe und interessante Lebensgeschichten aufgearbeitet. Dort entstand die Idee, das Lebenswerk der österreichischen Schriftstellerin, Friedensaktivistin und Psychoanalytikerin Erika Danneberg (1922-2007) sichtbar zu machen. Ein wissenschaftlich dokumentarisches Lebensbild in den Kontexten der Zeit von Christine Riccabona, Literaturwissenschaftlerin und Archivarin am Forschungsinstitut Brenner-Archiv, ist nun bei „innsbruck university press“ (iup) erschienen. Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Erika Wimmer Mazohl erinnert mit ihrem neuen Roman „Wolfs Tochter“ an die junge Erika Danneberg, das Buch ist in der literarischen „edition laurin“ des Universitätsverlags erschienen.

Die beiden Autorinnen im Gespräch über Erika Danneberg:

Was zeichnet Erika Danneberg aus?

Riccabona: Ihre Entschlossenheit, mit der sie gegen Unrecht aufstand und konsequent handelte und sich bis ins hohe Alter für eine sozial gerechte, antikapitalistische Gesellschaft engagierte und ihre antifaschistische Haltung, die sich durch ihr ganzes Tun zieht und für die sie auch einstand. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als bei den Nationalratswahlen 1970 die Bundes­regierung unter Bruno Kreisky mit vier ehemaligen Nationalsozialisten antrat, verließ sie mit einer vehementen Klarstellung die Partei.

Wimmer Mazohl: Den Wunsch, Autorin zu werden, hat sie in der Nachkriegszeit beharrlich verfolgt und auch später noch, im Alter, in die Tat umgesetzt. Sie hat nicht nur selbst geschrieben, sondern auch übersetzt, Texte lektoriert und vermittelt. Es ist außerdem ein wacher politischer Geist, der sie auszeichnete, auch in ihrer Rolle als Psychoanalytikerin. Ihr Engagement wurzelte in einer ausgeprägten Empathiefähigkeit für die Schwachen und Verfolgten. Als mitfühlender und aktiv helfender Mensch hat Erika Danneberg nicht selten auch eine exponierte Position eingenommen.

Auf welcher Basis sind Ihre beiden Werke entstanden?

Riccabona: Das historisch-biografische Lebensbild Erika Dannebergs entstand auf der Basis ihres Nachlasses, der 2016 an das Forschungsinstitut Brenner-Archiv gekommen ist. Er umfasst 49 Kassetten, die neben den biografischen Materialien auch Werkmanuskripte und Sammlungen zu ihren zentralen Arbeitsbereichen enthalten. Mein Fokus lag einerseits auf den lebensdokumentarischen Quellen des Nachlasses, auf ihren nahezu 100 Tagebüchern, ihren umfangreichen Korrespondenzen, denn sie war eine exzellente Briefschreiberin und eine unermüdliche Chronistin ihrer Zeit und natürlich auch ihrer individuellen Zeiterfahrungen. Andererseits basiert die Biografie natürlich auch auf den politischen und kulturellen Kontexten, in denen sie sich bewegt hat. Es ging mir darum, Lebenslinien zu skizzieren, die innerhalb der verschiedenen Lebensphasen und Existenzbedingungen mitunter auch widersprüchlich sind.

Wimmer Mazohl: In der Vorbereitung habe ich ausgewählte Materialien aus dem Nachlass am Brenner-Archiv durchkämmt – Briefe, Texte, Tagebücher. Da ich mich auf die Zeit zwischen 1945 und 1960 beschränkt habe, konnte ich auswählen, auch habe ich darauf geachtet, dass die vielen Quellen den freien und offenen Blick, den es beim Schreiben braucht, nicht verstellen. Es war nicht meine Absicht, eine Biografie zu schreiben, mein Text entwickelte sich in freier Resonanz auf die Dokumente. Um einen persönlichen Zugang zu finden, nutzte ich ihre Tagebücher als primäre Quelle. Dabei beleuchtete ich ihren Übertritt zum Judentum, ihre Liebesbeziehungen sowie die Loslösung aus patriarchalen Strukturen.

Worin wurzelt Dannebergs Engagement gegen Krieg und Faschismus?

Riccabona: Zunächst natürlich in den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Sie erlebte die Deportationen jüdischer Wienerinnen und Wiener unmittelbar mit, unter anderem im engen Umfeld ihres Freundeskreises auch jene von Margit Weiss und ihres minderjährigen Sohnes. Später war ihr Engagement motiviert durch den Widerstand gegenüber dem spürbaren Rechtsruck der 1980er-Jahre. „Niemals vergessen“ war die Losung der Nachkriegsjahre, die in der Wiederaufbau- und Wirtschaftswunderzeit vergessen wurde. Und Danneberg wurde nicht müde auf die Gefahren sich wiederholender Machtmechanismen hinzuweisen.

Wimmer Mazohl: Hitlers Machtübernahme in Österreich und der Jubel, mit dem die Nazis in Wien empfangen wurden, haben in ihr heftigen Widerwillen hervorgerufen. Sie ging damit in Widerstand zu ihrer Familie, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie jung sie damals gewesen ist. Erika Danneberg hat die Nazibegeisterung des Vaters abgelehnt und sich – noch keine zwanzig Jahre alt – dem Widerstand angenähert. Sie ist aus der elterlichen Wohnung ausgezogen und hat in einer Wohngemeinschaft gelebt, in der sie mit ihren Freunden ein- oder zweimal auch Juden versteckt hat. Dieses Nicht-mit-dem Strom-Schwimmen charakterisierte sie schon sehr früh.

Wofür setzte sie sich Erika Danneberg nach dem Krieg ein?

Riccabona: Als Psychologin und Psychoanalytikerin war sie eine der Begründerinnen einer Kinder- und Jugendberatungsstelle in Wien. Sie erkannte dabei, dass Probleme in den Familien oft systemimmanent sind und mit konkreten Lebensbedingungen zu tun haben. Das Eintreten für eine antikapitalistische Politik, für leistbares Wohnen, gerechte Lohnverteilung usw. liegt da sehr nahe, und in der KPÖ fand sie später ihre ‚politische Heimat‘. In den frühen 1980er Jahren schloss sich Danneberg auch der Friedensbewegung an und beteiligte sich an zahlreichen Demonstrationen und Friedensmärschen. Es war ja die Zeit des Kalten Kriegs, der Stationierung von Pershing-II-Raketen und da war die Angst vor einem Atomkrieg real und präsent. Die Friedensbewegung kämpfte für Abrüstung und ein atomwaffenfreies Europa. Danneberg war eine der Sprecherinnen dieser Friedensbewegung.

Wimmer Mazohl: In der Zeit globaler Aufrüstung witterte sie die Gefahr eines erneuten Krieges vielleicht früher als andere und verspürte daher das starke Bedürfnis, Friedensarbeit zu leisten. Ohnehin vertrat sie linke Positionen, im Jahr 1978 ist sie dann in einer Zeit, als viele europäische Linke sich vom realen Sozialismus schon wieder abkehrten, Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs geworden und hat dort aktiv mitgearbeitet. Es ging primär um soziale Gerechtigkeit und Abrüstung, bald auch um ökologische Themen. Persönlich ging es ihr aber immer um Zugehörigkeit; in der KPÖ hat sie sie gefunden.

Welche wichtigen Stationen hat Erika Danneberg durchlebt? 

Wimmer Mazohl: Für meinen Roman war die Ehe mit dem jüdischen Schriftsteller Hermann Hakel von besonderer Bedeutung. Mich hat als Autorin interessiert, wie sie, die sich von den patriarchalen Strukturen in der Herkunftsfamilie befreit hatte, mit den Spielarten subtiler Gewalt in ihrer Ehe umgegangen ist. Erika Danneberg wurde von ihrem Mann herabgesetzt, beiseite geschoben und betrogen, andererseits mit Arbeit überhäuft. Sie war so etwas wie sein Mädchen für alles und kam nicht mehr zum Schreiben eigener Texte. Die Befreiung aus dieser Beziehung war ein schmerzhafter Prozess, das bezeugen ihre Tagebücher.

Riccabona: Eine wichtige „Station“ war ihre Zeit in Nicaragua. 1985 hat sie ein halbes Jahr als Internationalista für Salud Mental, den psychosozialen Pflegedienst der Sandinistischen Regierung gearbeitet. Dabei ging es die Weiterbildung von Sozialarbeiter*innen für eine Art begleitende Krisenintervention innerhalb der kriegsgebeutelten nicaraguanischen Bevölkerung, die zudem bitterarm war. Danneberg ist regelmäßig nach Nicaragua gereist und hat sich aktiv für die sozialen Projekte der Solidaritätsbewegung für Nicaragua engagiert.

Warum haben Sie sich entschieden, zwei unterschiedliche Werke zu veröffentlichen?

Riccabona: Ausgangspunkt war ein Studientag am Forschungsinstitut Brenner-Archiv zum Thema „Widerstand“ in Lebensgeschichten und Werken von Frauen. Wir haben in diesem Zusammenhang Dannebergs Buch „Wie leistet man Widerstand?“ vorgestellt. Es enthält Lebenserinnerungen und ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit und Gegenwart Österreichs und Europas bis zum Zerfall der Sowjetunion. Es erschien uns spannend, die Biografie Dannebergs aus zwei verschiedenen Perspektiven zu beleuchten – einerseits erzählend die Motive und Geschehnisse eines Zeitabschnitts ihres Lebens zu vermitteln, andererseits dokumentarisch die Grundrisse dieses Lebens und seiner zentralen Themen darzustellen. In beiden Fällen bleiben notwendigerweise Lücken, kein Leben kann als Ganzes erschlossen werden, und es gibt nicht die eine Biografie, aber es lohnt sich darüber nachzudenken, wofür ein Leben wie das der Danneberg steht – und dies sichtbar zu machen.

Wimmer Mazohl: In einem literarischen Text wird nicht versucht die Realität eins zu eins abzubilden. Ich habe die in den Fokus genommenen Jahre des Nachkriegs und hier vor allem die Literaturszene in Wien, der neben Hermann Hakel und Erika Danneberg auch Hans Weigel oder Dichterinnen wie Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer angehörten, aus 5 unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet: Es ging mir um das Umkreisen und Annähern, nicht um das Erzählen einer vermeintlichen Wahrheit. Ziel beider Bücher ist es, eine interessante Frau aus der Vergessenheit zu holen, ihre Krisen und Entwicklungsschritte zu beleuchten, somit ihr Leben begreifbar zu machen und im Übrigen zu zeigen, dass das Private immer politisch ist, besonders aber, wenn es um Frauenleben geht.

Links:

    Nach oben scrollen