Die Society for Financial Econometrics (SoFiE) ist ein globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Praktikern, welches sich der Förderung der Forschung und dem Austausch von Ideen im Bereich der Finanzökonometrie verschrieben hat. Bei der jährlich stattfindenden Konferenz treffen sich die führenden Proponenten dieser Disziplin, um ihre Forschungsergebnisse zu teilen und über neueste Entwicklungen zu diskutieren. Die eingereichten Beiträge unterliegen dabei einem strengen Auswahlprozess. Unter den rund 100 zur Konferenz zugelassenen Vorträge belegte die unter starker Innsbrucker Beteiligung zustande gekommene internationale Forschungskooperation „Non-Standard Errors“ den zweiten Platz bei der Wahl zum Bates-White Prize für den besten Forschungsbeitrag.
„Diese Auszeichnung ist zweifelsfrei eine große Anerkennung unseres Forschungsprojekts, aber auch eine Bestätigung, dass wissenschaftstheoretische Beiträge in empirischen Disziplinen zunehmend Beachtung finden“, sagt Michael Razen vom Institut für Banken und Finanzen, der das Projekt bei der SoFiE-Konferenz an der Universität Cambridge vorstellte. Bei Forschungsarbeiten in diesem Bereich geht es unter anderem um die Frage, wie die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen gelangen und wie sie eine entsprechende Belastbarkeit der Ergebnisse sicherstellen kann – gerade in der aktuellen Zeit ein besonders relevantes Thema, auch über die Wissenschaft hinaus. Im Kern geht es bei „Non-Standard Errors“ um die Frage, wie viel Streuung in wissenschaftlichen Resultaten auf unterschiedliche Eigenschaften und Methoden der beteiligten Wissenschaftler zurückzuführen ist.
„Da wir in empirischen Studien immer nur einen Ausschnitt der gesamten Wirklichkeit betrachten können, sind Rückschlüsse auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. Ein prominentes Beispiel hierfür sind die häufig angeführten Schwankungsbreiten bei Wahlprognosen“, erklärt Michael Razen. Die Unsicherheit, die entsteht, wenn von einer zufällig gezogenen Stichprobe auf die Grundgesamtheit geschlossen wird, bezeichnen Wissenschaftler als standard error (Standardfehler). „Wir argumentieren nun, dass es im Rahmen des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns darüber hinaus eine zweite Form von Unsicherheit gibt, nämliche jene, die durch die Entscheidungen der Wissenschaftler selbst entstehen – wie etwa die Wahl der zugrundeliegenden Modelle aber auch spezifische Entscheidungen im Rahmen der Datenanalyse. In Fortführung der bisherigen Begrifflichkeiten nennen wir die daraus resultierende Unsicherheit non-standard error.“ Wichtig ist, dass es sich dabei nicht um einen Fehler der Wissenschaftler im herkömmlichen Sinne handeln muss (also um eine unrichtige Entscheidung, die objektiv korrigierbar wäre). Vielmehr geht es um das Anerkennen der Tatsache, dass sich auch nach allen Regeln der Kunst durchgeführte Wissenschaft einer objektiven Wahrheit nur annähern kann.
Die Feststellung oder gar Quantifizierung von non-standard errors ist freilich ein schwieriges Unterfangen. Es erfordert, dass eine Vielzahl von Wissenschaftlern unabhängig voneinander dieselben Fragestellungen anhand desselben Datensatzes analysiert. Den Projektkoordinatoren des Finance Crowd Analysis Project (#fincap), zu denen auch die Innsbrucker Michael Razen, Jürgen Huber, Michael Kirchler (Institut für Banken und Finanzen) und Felix Holzmeister (Institut für Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte) zählen, gelang jedoch genau dies: So beteiligten sich weltweit 334 Forscher in 164 Teams an diesem einzigartigen Projekt, bei dem verschiedene Fragen aus der empirischen Finanzwirtschaft mit einem vorgegebenen Big-Data-Datensatz beantwortet werden mussten. Die Resultate wurden von den Forschungsteams in mehreren Phasen, welche den wissenschaftlichen Prozess imitieren sollten, eingemeldet: zunächst unabhängig, dann nach einer Evaluation und Feedback von anderen Experten und schließlich nach Erhalt der Arbeiten der bestgereihten Forschungsteams.
Die Meta-Ergebnisse der Studie zeigen, dass die methodeninduzierte Schwankung (non-standard errors) bei den Resultaten zunächst in einer ähnlichen Größenordnung liegen wie jene Schwankung, die sich daraus ergibt, dass der Datensatz trotz seines großen Umfangs nur eine Stichprobe darstellt (standard errors). Dies impliziert natürlich, dass die Unsicherheit bezüglich wissenschaftlicher Resultate insgesamt größer ist, als dies herkömmliche Standardfehler anzeigen. Auf der anderen Seite kam es in den weiteren Phasen des Forschungsprojekts zu einer signifikanten und deutlichen Verringerung der non-standard errors. Sowohl die Studienautoren als auch die Konferenzteilnehmer (u.a. auch Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert F. Engle) werten dies als positive Bestätigung, dass der Austausch mit anderen Forschern ebendiese Unsicherheit deutlich reduziert und wissenschaftliche Resultate belastbarer macht.
(Institut für Banken und Finanzen)