Als Teil einer internationalen Forschungskooperation hat das Team um Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck den detaillierten Reaktionsweg erklären können, auf dem die gasförmige Iodsäure (HIO3) in der Atmosphäre entsteht. Dies ist ein zentraler Zwischenschritt des Kreislaufes, bei dem Iod aus den Weltmeeren in die Atmosphäre gelangt, Aerosole bildet und im Zuge dessen Ozon zerstört. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal Nature Chemistry veröffentlicht.
In einer vorhergehenden Studie konnte Armin Hansel mit seiner Forschungsgruppe bereits nachweisen, dass Iodsäure der entscheidende Stoff ist, der zur Partikel- und damit zur Wolkenbildung führt. Bei der Ozonzerstörung wirkt Iod als Katalysator, es wird bei diesem Vorgang nicht selbst verbraucht.
Die Studie wurde mithilfe des Großexperiments CLOUD durchgeführt. CLOUD ist am Kernforschungszentrum CERN angesiedelt, in einer großen Kammer wird hier die Atmosphäre simuliert. Darin wird untersucht, wie sich unter sorgfältig kontrollierten Bedingungen aus reaktiven Gasen Aerosolpartikel bilden und zu Wolken-Kondensationskeimen heranwachsen.
Erderwärmung beschleunigt den Prozess
„Kritisch sind die chemischen Vorgänge des Iodkreislaufes vor allem deswegen, weil die Menge an Iod, die seit 1950 in die Atmosphäre gelangt ist, sich mehr als verdreifacht hat“, erklärt Hansel. „Iod entsteht bei der Reaktion von Ozon (O3) mit im Meerwasser gelöstem Iodid (I-). Menschliche Aktivitäten haben zu einer Zunahme von bodennahem Ozon und zu einer starken Erwärmung geführt. Dünneres Eis in der Arktis bewirkt, dass mehr wassergelöstes Iodid mit Ozon in Berührung kommt und Iod freisetzt. Beide Effekte verstärken die Iodemissionen. Diese steigenden globalen Emissionen könnten demnach in der Arktis das Abschmelzen des Meereises weiter beschleunigen, es handelt sich also um einen selbst verstärkenden Effekt.“
Die einzelnen Schritte, die zur Bildung von Iodsäure führen, wurden von der Forschungsgruppe unter großem experimentellem Aufwand am CERN und durch Feldmessungen am Maido Observatorium in Reunion entschlüsselt. Quantenchemische Berechnungen waren notwendig, um die Reaktivität der einzelnen Umwandlungsschritte zu bestätigen.
Chemische Vorgänge von globaler Bedeutung
„Iod ist ein kritisches Spurenelement, das erhebliche Auswirkungen auf die Photochemie der Troposphäre hat, also auf die chemischen Reaktionen, die dort unter Einfluss von Licht stattfinden. Diese wirken sich letztlich auf das Klima aus. Im Meer gelöstes Iod geht in die Gasphase über, ist anschließend an der Bildung von Aerosolpartikel beteiligt und wird dann wieder in die Gasphase freigesetzt oder aus der Atmosphäre ausgewaschen“, sagt Hansel.
Für den Chemiker besonders interessant: Gasförmiges Iod bildet in der Atmosphäre reaktive Radikale, die eigentlich nur in Küstennähe bzw. über den Ozeanen in die Photochemie eingreifen. Dabei wird Ozon, ein Luftschadstoff, zerstört. Da Iod in Aerosolpartikeln über weite Strecken transportiert werden kann und weit weg von den Iodquellen wieder freigesetzt wird, hat der Iodkreislauf globale Auswirkungen.
Tiroler Pioniere für das CLOUD-Experiment
Für die CLOUD-Experimente hat die Innsbrucker Forschungsgruppe um Armin Hansel in enger Zusammenarbeit mit dem Spin-Off-Unternehmen Ionicon Analytik GmbH spezielle Messverfahren entwickelt. Das Team um Hansel gilt im Feld der Spurenanalytik als internationaler Pionier, da diese technische Innovation aus Tirol in Echtzeit Resultate mit extrem hoher Nachweisempfindlichkeit liefert. Das CLOUD-Forschungsteam besteht aus zahlreichen Arbeitsgruppen aus ganz Europa und Nordamerika und wird unter anderem von der Europäischen Union und zahlreichen nationalen Fördergebern – darunter der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG – finanziell unterstützt.
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