Die mehr als 100.000 bekannten Texte aus der Ur-III-Zeit (ca. 2100-2000 v. Chr.) befinden sich in zahlreichen Museen und Sammlungen, die über die ganze Welt verstreut sind. Neben traditionellen Publikationen in Buchform bieten seit einigen Jahren Bilddatenbanken Zugriff auf diese Texte. Doch selbst Fotos von Keilschrifttexten sind nicht immer ausreichend, da nicht alle Details erkannt werden können. Sowohl die Keilschrift selbst, als auch die Schriftträger sind dreidimensional. Seit einigen Jahren werden 3D-Scans von Keilschrifttafeln erstellt und sind im Netz frei verfügbar – federführend ist hier die Hilprechtsammlung in Jena, deren gesamter Bestand auf diese Weise publiziert wurde.
Prof. Marcos Such-Gutiérrez (Universidad Autónoma de Madrid), einer der führenden Spezialisten für die Texte der Ur-III-Zeit, folgte der Einladung des Instituts für Alte Geschichte und Altorientalistik und leitete einen Workshop, in dessen Rahmen Innsbrucker Student*innen mit den wichtigsten Texttypen der Ur-III-Zeit vertraut gemacht wurden. Dazu wurden nun 3D-Drucke der Texte herangezogen, die der Arbeit mit Originalen am nächsten kommen. „Es ist der Traum jedes Altorientalisten mit Originalen zu arbeiten und Texte zu lesen, die seit Jahrtausenden von niemandem mehr gelesen wurden und genau das üben wir hier,“ erzählt Noah Kröll, der gerade seine Dissertation am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik verfasst. Marcos Such-Gutiérrez brachte den Innsbrucker Studierenden die gängigen Formulare der ur-III-zeitlichen Urkunden näher – Empfangsquittungen, Darlehen und Briefanweisungen – und es wurden jeweils zwei Beispiele gelesen.
Beim derzeitigen Stand der Technik eignen sich nicht alle Textsorten gleichermaßen gut für den 3D-Druck, da hinsichtlich der Größe und der Auflösung der Texte gewisse Grenzen gesetzt sind. Die relativ kleinen Ur-III-Texte stellen in dieser Hinsicht ein ideales Versuchsobjekt dar. Obwohl die kleinsten Schriftträger nur 3 x 3 x 1 cm messen, dauert der Druck eines solch kleinen Exemplars mit einem einfachen 3D-Drucker etwa zwei Stunden. Literarische Texte hingegen sind oft auf eng beschriebenen Tontafeln verfasst, die um ein Vielfaches größer sind. Mit der Weiterentwicklung der Drucktechnik und dem Scannen von größeren Beständen an Keilschrifttafeln wird die Bedeutung von 3D-Drucken im Unterricht sicherlich zunehmen. „Vielleicht können wir in einigen Jahren auf eine Sammlung von 3D-Drucken für den Unterricht zurückgreifen und in der Ausbildung von Anfang an auf ‚Originale‘ setzen“, hofft Sebastian Fink vom Arbeitsbereich Altorientalische Philologie, der den Workshop organisiert hat.
(Sebastian Fink)