Der aktuelle Mangel an Lehrkräften führt dazu, dass in nahezu allen Bundesländern nicht nur Lehramtsstudierende mit einem Bachelor-Abschluss, sondern auch solche ohne Abschluss bereits vorzeitig im Schuldienst eingesetzt werden. Auf diese Weise stehen immer mehr Studierende ohne adäquate Ausbildung den Herausforderungen des Schulalltag gegenüber. Hinzu kommt die Doppelrolle als Studierende und Lehrerin oder Lehrer. Um die Situation der Studierenden, damit einhergehende Mehrbelastungen und den Umgang damit zu untersuchen, wurden im Sommer in Linz 312 Lehramtsstudierende der Sekundarstufe befragt. „Rund die Hälfte der befragten Bachelorstudierenden und zwei Drittel der befragten Masterstudierenden sind im Schuldienst tätig“, schildert Studienleiter Christoph Helm, Bildungsforscher und Professor an der Johannes-Kepler-Universität Linz die Situation. „Rund 60% der Studierenden, die bereits in der Schule arbeiten, geben an, dass sie auch fachfremd unterrichten, also ein Fach, dass sie nicht studieren bzw. studiert haben.“
Lehramtsstudium kein Nebenjob
Viele der Befragten sagen, dass sie aufgrund des Schuldiensts und des Studiums häufig großem Zeitdruck unterliegen und als Lehrkraft Aufgaben bearbeiten, auf die sie viel zu wenig vorbereitet wurden. Disziplinlosigkeit von Schülerinnen und Schülern stellt für die Hälfte der Studierenden eine große Herausforderung dar. Ein erheblicher Teil der Befragten fühlt sich durch den Schuldienst völlig ausgebrannt. Dennoch geben sehr viele an, den Beruf gerne auszuüben und freuen sich jeden Tag darauf. Durchgeführt wurde diese Studie in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich und der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz.
Lehrpersonen sind heute im Berufsleben mit komplexen Herausforderungen konfrontiert und können in weiten Bereich nicht mehr so arbeiten, wie noch vor 20 Jahren“, sagt Suzanne Kapelari, Dekanin der Fakultät für LehrerInnenbildung. „Die aktuelle Ausbildungszeit ist gerade vor einem solchen Hintergrund weder aufgebläht noch überzogen. Sie entspricht dem Minimum an Zeit und Umfang, um junge Menschen auf ihren Job vorzubereiten und gute Lehrerinnen und Lehrer längerfristig im Beruf zu halten. Lehrerin zu werden und Lehrer zu sein, ist keine Nebenausbildung bzw. ein Nebenjob.“
Professionalisierung der Ausbildung
Mit der Gründung der österreichweit ersten Fakultät für LehrerInnenbildung – damals als School of Education – setzte die Universität Innsbruck 2012 ein wichtiges Signal für die wissenschaftlich fundierte Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer. Drei Institute, das Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik, das Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung und das Institut für Fachdidaktik, bieten in Zusammenarbeit mit elf weiteren Fakultäten, eine qualitätvolle Ausbildung für insgesamt 24 Unterrichtsfächer an. „Fachkompetenz und Fachliebe geht ebenso Hand in Hand wie pädagogische Professionalität und LehrerInnenpersönlichkeit. Kompetenzerwerb und Persönlichkeitsentwicklung brauchen Zeit“, betont Suzanne Kapelari. „Aus dem Schulbuch vorzulesen ist heute obsolet. Für anspruchsvolle, zukunftsorientierte Lernangebote für zukünftige Generationen müssen Expertinnen und Experten der Unterrichtfächer zusammenarbeiten – hier braucht es Fach-Lehrer*innen, die auch ausgezeichnete Pädagog*innen sind.“ Kapelari sieht das Bildungssystem und die Bildung aktueller und künftiger Generationen durch die aktuellen Entwicklungen nachhaltig gefährdet.