Ein internationales Team an Wissenschaftler*innen hat die Artenzusammensetzung nachwachsender tropischer Wälder in verschiedenen ökologischen Regionen Amerikas untersucht, und kam zu dem Schluss, dass die Artenzusammensetzungen sich auch hier wesentlich unterscheiden. „Es wurden 1.215 Wälder von Westmexiko bis Südbrasilien in der Regenerationsphase untersucht. Von den 2.164 gefundenen Baumarten sind 80 % auf eine einzige Region beschränkt“, verdeutlicht Florian Oberleitner von der Arbeitsgruppe Funktionelle Ökologie an der Universität Innsbruck, der in Zusammenarbeit mit Peter Hietz von der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wälder im Südwesten Costa Ricas untersuchte und diese Datensätze zur Studie beitrug. „Diese Arten mit eingeschränkter Verbreitung spielen eine grundlegende Rolle bei der Erhaltung der lokalen, regionalen und kontinentalen Vielfalt und müssen daher erhalten und durch Renaturierungsprojekte gefördert werden.“
1215 Parzellen untersucht
Für die Studie legte das Ökolog*innen-Team unter der Leitung der Universidade Federal de Santa Catarina in Brasilien 1.215 Parzellen mit jungen, nachwachsenden Wäldern von Westmexiko bis Südbrasilien an. Diese Wälder weisen eine große Vielfalt auf, die das Ergebnis einer Kombination aus Evolutionsgeschichte und aktuellen Umweltbedingungen ist. Die Studie des internationalen 2ndFor-Netzwerks ergab, dass die Artenzusammensetzung junger, nachwachsender Wälder auf dem gesamten amerikanischen Kontinent sehr unterschiedlich ist und 14 verschiedene floristische Regionen bildet. Dieses Ergebnis ist überraschend, da man bisher davon ausging, dass diese jungen Wälder von ein und derselben kleinen Gruppe weit verbreiteter Pionierarten dominiert werden. Die Hauptautorin Catarina Jakovac von der Universidade Federal de Santa Catarina in Brasilien erklärt: „Pionierarten, die für junge Wälder typisch sind, sind in der Regel zahlreich und werden von Tieren verbreitet, weshalb wir dachten, dass die meisten von ihnen in der Lage sein würden, weit entfernte Standorte zu erreichen, wie die weit verbreiteten Trema micrantha und Guazuma ulmifolia. Die Studie zeigte jedoch, dass eine weite Verbreitung in diesen jungen Wäldern nicht die Regel ist und dass 80 % der 2.164 untersuchten Arten nur in einer einzigen floristischen Region vorkommen. In jeder Region gedeihen andere Artengruppen, und daher können sich regenerierende Wälder dazu beitragen, die Vielfalt der Ökosysteme auf den Kontinenten zu erhalten.“
Geschichte und Umwelteinflüsse
Gründe für diese großen Unterschiede in den nachwachsenden Wäldern sehen die Studienautor*innen in einer Kombination aus alter biogeografischer Geschichte und aktuellen Umweltbedingungen: Im Laufe der Evolutionsgeschichte kam es in einigen Regionen zu einem intensiven Austausch von Arten mit unterschiedlichen biogeografischen Ursprüngen, während andere Regionen durch geografische und ökologische Barrieren voneinander getrennt waren. So führte beispielsweise die Landverbindung zwischen Nord- und Südamerika vor etwa 3 Millionen Jahren zu einem bedeutenden Artenaustausch zwischen Mittelamerika und dem Amazonasgebiet. Im Gegensatz dazu weisen die Waldregionen im Südosten und im südlichen Atlantik eine ganz andere Artenzusammensetzung auf als der Amazonas. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sie etwa 33 Millionen Jahre lang durch eine trockene Region, das heutige Cerrado-Ökosystem, getrennt waren.
Neben der Evolutionsgeschichte führen auch unterschiedliche Umweltbedingungen zu Variationen in der Artenzusammensetzung. „Die verschiedenen floristischen Regionen unterscheiden sich in Bezug auf den pH-Wert des Bodens, die saisonalen Temperaturen und die Wasserverfügbarkeit. Einige Arten der frühen Sukzessionsstadien können trotz ihrer Fähigkeit, sich über große Entfernungen zu verbreiten, nur unter bestimmten Umweltbedingungen gedeihen. Ändern sich diese Umweltbedingungen, kann sich auch die Zusammensetzung der Arten ändern, wodurch die Unterscheidung zwischen Ökosystemen verschwimmt“, erklärt Florian Oberleitner. Die Landnutzung verändert den pH-Wert des Bodens, und der Klimawandel führt zu einem Anstieg der Temperatur und stärkeren saisonalen Schwankungen der Wasserverfügbarkeit. Globale Veränderungen können daher zu Verschiebungen in der Artenzusammensetzung führen, was möglicherweise zu einer Homogenisierung dieser Wälder und einer Verringerung der Kontinent weiten Einzigartigkeit führt. Um solche Folgen zu vermeiden oder abzumildern, sollten Initiativen zur Wiederherstellung von Wäldern der Artenauswahl große Aufmerksamkeit schenken und bei ihren Wiederherstellungsbemühungen lokalen Arten den Vorrang geben.
Publikation: Strong floristic distinctiveness across Neotropical successional forests, Science Advances, 01. 07. 2022