Regenwürmer gelten als Überlebenskünstler. Sie besitzen eine einzigartige Regenerationsfähigkeit. Bei einem Angriff durch einen Vogel sind sie in der Lage, einige Segmente abzuschnüren und so die Flucht zu ergreifen. Als im Boden lebendes Tier gräbt der Regenwurm weitverzweigte Röhrensysteme und kommt dort mit verschiedensten Umweltschadstoffen in Berührung. Durch ihre wissenschaftliche Arbeit möchte die Zoologin Martina Höckner mehr über die Auswirkungen dieser Belastungen in Erfahrung bringen. „Der Regenwurm eignet sich sehr gut als Modelltier, um festzustellen, wie der Organismus durch Umweltschadstoffe beeinflusst wird“, betont die Wissenschaftlerin. Das Forschungsteam von Höckner möchte die Grundlagen näher erforschen, um weitere Rückschlüsse in der Zukunft zu ermöglichen. Im Labor arbeiten die Wissenschaftler*innen hauptsächlich mit dem toxischen Metall Cadmium. Dieser gesundheitsgefährdende Stoff steckt beispielsweise in Zigarettenrauch, Pestiziden, Dünger und Batterien.
Schwere Auswirkungen
Im Labor werden Regenwürmer unter kontrollierten Bedingungen dem toxischen Metall Cadmium ausgesetzt, um reale Schadstoffbelastungen nachzuahmen. Dabei konnte gezeigt werden, dass es zu epigenetischen am Regenwurm kommt, das bedeutet, dass der DNA-Code selbst nicht betroffen ist. In einer Vorarbeit stellten die Innsbrucker Zoolog*innen bereits fest, dass sich Abänderungen von DNA-Methlygruppen ergaben. Bereits bei geringen Belastungen wird ein umfassender Entgiftungsprozess in Gang gesetzt. Um die Auswirkungen der epigenetischen Veränderungen festzustellen, wurden die Tiere in der Folge sieben Monate lang in unbelasteter Erde gehalten. Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass rund 15 Prozent der Veränderungen persistent waren und diese potentiell an die nächste Generation weitergegeben werden können. „Umweltfaktoren können die Aktivität von Genen beeinflussen. Somit können sowohl kurze, als auch geringe Belastungen für den Regenwurm weitreichende Folgen haben.“
Neue Erkenntnisse
Für die aktuelle Fortsetzungsstudie wurden die Regenwürmer erneut zwölf Wochen lang Cadiumbelastungen ausgesetzt. Die Forscher*innen verfolgten dabei das Ziel herauszufinden, wieso epigenetische Veränderungen auftreten und inwiefern diese im Organismus nachweisbar sind. „Dabei hatten wir auch den zeitlichen Ablauf im Blick, um umfassende Rückschlüsse ziehen zu können.“ Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam bestehend aus Gerhard P. Aigner, Verena Pittl, Birgit Fiechtner, Bernhard Egger und Maja Šrut befasste sich Höckner intensiv mit bereits vorhandenen Studien über Wirbeltiere, welche die Wirkungsweise von Grundmechanismen epigenetischer Veränderungen aufgriffen. „Diese generellen Mechanismen, die bereits in anderen Tieren bekannt sind, sind im Regenwurm zwar vorhanden, aber nicht ursächlich für die Veränderungen, die wir sehen.“ Fortan stellen sich die Forscher*innen die Frage, ob es im Regenwurm eigene andere Mechanismen gibt, die die epigenetischen Veränderungen auslösen. Zum anderen konnten die Wissenschaftler*innen herausfinden, dass mehrere Bausteine der DNA von Veränderungen betroffen sind. „Dabei handelt es sich um eine neue Erkenntnis. Beim Regenwurm finden diese epigenetischen Veränderungen nicht nur am Cytosin sondern auch am Adenin der DNA statt. Schon geringe Belastungen genügen, um diese auszulösen.“
Tiefgründig erforschen
Regenwürmer sind in der Lage Schwermetalle zu binden und sich damit zu entgiften. Dazu bilden sie Proteine aus der Familie der Metallothioneine. Die Wissenschaftler*innen konnten feststellen, dass dieser Entgiftungsmechanismus sehr stabil funktioniert und auch nicht durch die ausgelösten epigenetischen Veränderungen negativ beeinflusst wird. Wie die Regenwürmer auf die Belastungen reagieren wird anhand von Biomarkern festgehalten. „Dadurch wird deutlich, inwiefern ein Ökosystem durch beispielsweise Schwermetallbelastungen und äußere Umstände betroffen ist. Die Regenwürmer dienen als Indikatoren für die Messung der verschiedenen Auswirkungen. Diese epigenetischen Veränderungen haben wir als Biomarker vorgeschlagen.“
Im Rahmen des FWF-Projekts „Role of earthworm MTs in stress response and innate immunity“ wird sich Martina Höckner mit ihrem Team mit der Immunabwehr und dem Zusammenhang mit Entgiftungsmechanismen von Regenwürmern befassen. „Bisher konnten wir festhalten, dass Regenwürmer, die Verletzungen aufweisen, die oben genannten Metallothioneine, also Entgiftungsproteine, nicht mehr produzieren können. Es muss noch im Detail erforscht werden, wie dieser Zusammenhang aussieht.“
Innsbrucker Zoolog*innen befassen sich mit den Auswirkungen von Umweltbelastungen auf Regenwürmer.