Farbstoffe aus der Natur werden vom Menschen schon seit Jahrhunderten verwendet. Indigo, Karmin, Purpur und Ultramarin waren bereits in der Antike bekannt und wurden erst während der industriellen Revolution von synthetischen Farbstoffen verdrängt. Am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik in Dornbirn wird seit über 25 Jahren an Farbstoffen aus der Natur geforscht. Trotz eines Trends hin zu ökologischen Rohstoffen konnten sich Naturfarbstoffe in der Textilindustrie bisher noch nicht durchsetzen. Sie verlieren beim Waschen und im Sonnlicht rascher an Farbstärke und sind in der Produktion teurer als ihre synthetische Konkurrenz.
Das Interesse der Industrie an nachhaltigen Produkten wächst jedoch stark. Das liegt einerseits an der verschärften Gesetzgebung im Bereich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Andererseits wachsen Umweltbewusstsein und die Bereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten, mehr Geld für ökologische und nachhaltige Produkte auszugeben. In der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie werden Naturfarbstoffe und natürliche Pigmente bereits erfolgreich eingesetzt. Judith Deriu arbeitet seit 2016 am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik und möchte mit ihren Forschungen einen Beitrag zur Entwicklung der Kreislaufwirtschaft im Textilsektor leisten. Sie führt die Tradition des Instituts weiter und nutzt ein uraltes Verfahren, mit dem aus Pflanzenfarbstoffen Pigmente hergestellt werden können. „Hier ist leider viel Wissen verloren gegangen“, sagt die Chemikerin. „Im Labor versuche ich, dieses Verfahren so weit zu optimieren, dass die Industriepartner die Pigmente für unterschiedliche Anwendungen in der Praxis testen können.“
Farben der Natur
Judith Deriu ist vor allem auf der Suche nach roten und blauen Farbtönen, denn diese fehlen bisher weitgehend in der auf Naturfarbstoffen basierenden Farbpalette. „Daran arbeiten wir noch, denn diese Pigmente sind chemisch sehr instabil“, erzählt die Forscherin. Für Gelb, Ocker, Olivgrün, Braun, Beige und Schwarz gibt es hingegen bereits Rezepturen, die für einen industriellen Einsatz interessant sind. Als Basis für die Pigmente dienen Reststoffe aus der Forst- und Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie sowie weitere Pflanzen, die nicht als Nahrungsmittel dienen. Schwarz lässt sich etwa aus Holzabfällen von Sägewerken gewinnen, Olivgrün aus Zwiebelschalen, Blau aus Heidelbeeren und Blaualgen und Rot aus Trauben und Beeren. Indigo und Färbekrapp werden bewusst nicht verwendet, weil diese in Mitteleuropa nicht effizient produziert werden können. Wegen der langen Transportwege und der damit verbundenen CO2-Emissionen vermeidet Judith Deriu pflanzliche Rohstoffe aus fernen Ländern.
Aber nicht nur die Farbpigmente basieren auf nachwachsenden Rohstoffen, auch die für die Herstellung der Druckfarben notwendigen Bindemittel und die Trägerfasern sollen umgestellt werden. Hier ist Judith Deriu auf der Suche nach natürlichen Alternativen zu den aus Erdöl produzierten Industrieprodukten. „Materialien aus fossilen Rohstoffen belasten die Natur in hohem Ausmaß“, sagt die Chemikerin. „Aus synthetischen Textilien lösen sich Mikrofasern, die nicht abgebaut werden können, und von den auf Textilen gedruckten Motiven gelangen künstliche Bindemittel mit Pigmenten als Mikroplastik in die Umwelt.“ Die Dornbirner Wissenschaftler:innen kolorieren mit ihren Pflanzenpigmenten zum Beispiel biobasierte Zellulosefasern, die über ein industrielles Verfahren aus Holz hergestellt werden. Für den Druck auf Textil und Papier testet Deriu nachhaltige Bindemittel auf Basis biologisch abbaubarer Polysaccharide, um die Entstehung von Mikroplastik zu vermeiden.
Vermarktbare Produkte
Durch Zusammenarbeit mit Industriepartnern werden verschiedene Druckfarben entwickelt. Papierdruckfarben für den Offsetdruck aus nachhaltigen pflanzlichen Ölen und Harzen können mit den Pflanzenpigmenten vollständig nachhaltig gemacht werden. „Unsere Pigmentpartikel sind für den Papierdruck jedoch noch zu groß, dafür müssen sie kleiner als 3 Mikrometer werden“, sagt die Chemikerin. Sehr vielversprechend sind hingegen die Ergebnisse im Textildruck. „Hier sind wir gemeinsam mit unseren Partnern aktuell auf der Suche nach Produkten, die sich vermarkten lassen.“ In Frage kommen dafür zum Beispiel Einkaufsbeutel oder Event-T-Shirts. Im Papierbereich sind Geschenkpapier, Verpackungsmaterialien und Papiertaschen mögliche Einsatzgebiete der neuen Farbpimente und Druckfarben. Für Kleidung müssen die Farben noch deutlich weiterentwickelt werden, damit sie dem häufigen Waschen standhalten können.
Die Zusammenarbeit mit der Industrie schafft auch die Basis für ein Netzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft und allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette. Mit im Projektteam von Judith Deriu sind zum Beispiel die Textildrucker Buntwerk aus Vorarlberg, Kelheim Fibres, der weltweit führende Hersteller von Viskose-Spezialfasern, Sun Chemical, der wichtigste Hersteller von Druckfarben und das Verpackungszentrum Graz, der österreichische Spezialist für ökologische Verpackungen. „Um wirklich eine Kreislaufwirtschaft in der Textil- und Druckindustrie zu etablieren, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten: Wissenschaft, Industrie und Konsument:innen. Meine Forschung ist ein kleines Puzzleteilchen in diesem gemeinsamen Bemühen“, sagt Judith Deriu.
Zur Person
Judith Deriu (*1986) wurde in der Schweiz geboren und hat in Amsterdam Biomedizin und Pharmazeutische Toxikologie studiert. 2016 kam sie für ein Doktoratsstudium an das Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck und forscht hier seit der Promotion als Postdoc. Sie ist Leiterin eines FFG-Projekts zu Pflanzenpigmenten als nachhaltige und biologisch abbaubare Farbmittel zur Kolorierung von Textil und Papier (PiColor).
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 02/23 des Forschungsmagazins zukunft forschung der Universität Innsbruck erschienen.