Längst bekannt ist, dass sich die Erde durch den von Menschen gemachten Treibhauseffekt immer weiter erwärmt. Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich weltweit mit Möglichkeiten, diesen Effekt zu stoppen. Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie an der Uni Innsbruck hat gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Forschungszentrum Jülich untersucht, ob es machbar wäre, der Erwärmung durch Optimierung von klimaregulierenden Ökosystemdienstleistungen entgegenzuwirken. Diese Studie wurde im Magazin Nature Communications Earth & Environment publiziert. „Derzeit herrscht eine Imbalance im Strahlungshaushalt der Erde, denn es dringt mehr Strahlung durch die Atmosphäre ein, als wieder zurück an den Weltraum abgegeben wird. Das ist vergleichbar mit der Situation, als würde man mehr Kalorien zu sich nehmen und weniger Sport betreiben, was eine Gewichtszunahme zur Folge hat. Die Erwärmung der Erde ist analog dazu, da mehr Energie im System verbleibt“, erläutert Georg Wohlfahrt, der sich mit möglichen Veränderungen der Treibhausgaskonzentration, aber auch mit Veränderungen der Strahlungsbilanz beschäftigt.
Ökosysteme optimieren
Wälder speichern verhältnismäßig viel CO2, reflektieren aber wenig Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum. Graslandschaften und landwirtschaftliche Flächen reflektieren zwar mehr Strahlung als Wälder, speichern aber dafür weniger CO2. Eine für den jeweiligen Klimaraum ideale Kombination zu finden, war Ziel der Untersuchung von Wohlfahrt und weiteren Ökolog:innen. Die sogenannte Albedo, das Maß für die Helligkeit eines Körpers, spielt neben dem Treibhausgaseffekt eine wesentliche Rolle für das Klima der Erde. Georg Wohlfahrt beschreibt zwei Prozesse, die in der Studie zentral sind. Einerseits geht es um die Aufnahme von CO2 durch terrestrische Ökosysteme. „Wälder, aber auch Grasland und landwirtschaftliche Flächen nehmen CO2 auf und re-absorbieren jährlich bis zu einem Drittel der menschlichen Emissionen. Das hat einen kühlenden Effekt“, so Wohlfahrt. Der zweite Prozess, den der Ökologe erläutert, ist die sogenannte Albedo, das Rückstrahlvermögen von Oberflächen, also auch von Ökosystemen. „Ist die Albedo 1 bedeutet das, dass 100 Prozent der Strahlung reflektiert wird. Ist sie 0, so würde die gesamte Strahlung absorbiert“, erläutert der Wissenschaftler. So habe frisch gefallener Schnee eine Albedo von fast 1, während Wälder nur in etwa 10 bis 15 Prozent und landwirtschaftliche Kulturen und Grasland etwa 20 bis 25 Prozent an Strahlung reflektieren können. Wohlfahrt und seine Kolleg:innen haben die Beziehung zwischen der CO2-Aufnahme und der Albedo untersucht. „Wenn wir frei entscheiden könnten, dann hätten wir gerne Ökosysteme, die möglichst viel CO2 aufnehmen und eine hohe Albedo haben, eben eine sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau“, sagt der Ökologe, der allerdings verdeutlicht, dass diese optimale Kombination nur bedingt realisierbar ist.
Ein kreativer Lösungsansatz
Die reale Situation ist, dass Ökosysteme, die viel CO2 aufnehmen können, gleichzeitig zumeist eine niedere Albedo haben und umgekehrt. Das Team aus internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat aus diesen Daten Modelle errechnet, wie sich Ökosysteme in 100 Jahren verändern müssten, um die Erde bestmöglich zu kühlen. „Wichtig war dabei, Ökosysteme im selben Klimaraum unter vergleichbaren Umweltbedingungen zu untersuchen. Es ist unrealistisch, in nördlichen Breiten theoretisch einen tropischen Regenwald hinzudenken“, verdeutlicht Wohlfahrt. Im ersten errechneten Szenario war es den Wissenschaftler:innen wichtig zu ermitteln, welche Veränderungen es gibt, wenn man alle Ökosysteme für eine maximale Aufnahme von CO2 ausrichten würde. „Kurzfristig würde dieser Vorgang zu einer Erwärmung führen, da die Albedo dadurch verringert wird. Da CO2 allerdings bis zu 100 Jahre in der Atmosphäre verbleibt, wirkt sich die erhöhte CO2-Aufnahme erst zeitverzögert in der Zukunft aus, hätte dann aber eine stark abkühlende Wirkung“, erläutert der Innsbrucker Ökologe. Veränderungen in der Albedo wirken zwar unmittelbar kühlend, erwärmen aber langfristig die Erde, da diese Ökosysteme über die Zeit weniger CO2 aufnehmen. Eine Kombination der positiven Effekte beider Szenarien vermeidet zwar die anfängliche Erwärmung der CO2-Aufnahmemaximierungsstrategie, und könnte daher einen Beitrag zur Vermeidung des Überschießens der globalen Temperatur leisten, bleibt auf lange Sicht aber in der abkühlenden Wirkung hinter diesem Szenario zurück.
Eine weitergehende Optimierung von Ökosystemen benötigt daher einen biotechnologischen Durchbruch. Zumindest für landwirtschaftliche Pflanzen sieht der Ökologe in der gezielten genetischen Veränderung, in Züchtungen oder durch spontane Mutationen die Chance, hellere Pflanzen mit einer deutlich höheren Albedo anzubauen. Diese Variante an Landnutzungsänderung könnte zu einer hohen CO2-Aufnahme und gleichzeitig einer höheren Reflektion von Strahlung führen. „Ein bereits mehrfach untersuchtes Beispiel dafür ist die Soja-Variante MinnGold, die durch eine spontane Mutation deutlich weniger Chlorophyll aufweist als der Wildtyp der Pflanze. Sie ist demnach um vieles heller und hat eine höhere Albedo, ist aber in der Lage, annährend so viel CO2 zu binden wie der Wildtyp“, so Wohlfahrt. „Die Studie war in erster Linie ein Gedankenexperiment, das gezeigt hat, dass die Erreichung der Klimaziele nur durch die Veränderung von Ökosystemen nicht möglich ist. Ohne Einsparungen menschengemachter CO2-Emisssionen kann es nicht funktionieren“, so Wohlfahrt.
Dieser Beitrag ist die Langversion eines Artikels aus der Oktober-2023-Ausgabe des Magazins wissenswert. Eine digitale Ausgabe des Magazins ist hier zu finden.