Rückbaumaterialien sind der größte Abfallstrom, den es in Österreich gibt. Von den rund 71,3 Mio. Tonnen Abfall in Österreich entfallen 59 % auf Aushubmaterial (42 Mio. Tonnen) und ca. 16 % auf Bau- und Abbruchabfälle (11,4 Mio. Tonnen).
Die Vision des Weiterbildungslehrgangs „Kreislaufmanager*in im Bauwesen“ ist es, diesen Abfallstrom nachhaltig zu reduzieren, indem Mitarbeiter:innen geschult und zum Nachdenken angeregt werden. Denn die Kreislaufwirtschaft führt nicht nur zu einer deutlichen Entlastung der Umwelt, sie hat auch klare wirtschaftliche Vorteile. In dem Maß, in dem es den Bauunternehmen gelingt, wertvolle Rohstoffe im Kreislauf zu halten, sinkt die Abhängigkeit von teuren und möglicherweise schwankenden Rohstoffimporten. Um Kreisläufe zu schließen, bedarf es spezifischen Know-hows. Das Innovationscamp Kreislaufmanager:in im Bauwesen unterstützt 43 Unternehmen dabei, dieses Know-how zu erlangen und setzt dabei auf Lehrende aus Forschungseinrichtungen aus ganz Österreich und Deutschland, die sowohl einen einschlägigen Forschungshintergrund als auch praktische Erfahrung in Kreislaufwirtschaftsprojekten mitbringen. Neben dem direkten Einfluss des gewonnenen Wissens auf die Umsetzung im eigenen Unternehmen fördert der „Kreislaufmanager*in im Bauwesen“ den Erfahrungsaustausch und die Kooperation aller beteiligten Partner und kann infolgedessen zu weiteren nachhaltigen Kooperationsprojekten führen.
Seit November 2022 wurden bereits alle 77 zukünftigen Kreislaufmanager:innen in einem fünftägigen Basismodul von Anke Bockreis (Uni Innsbruck), Helmut Rechberger (Technische Universität Wien), Markus Meissner (Baukarussell) und noch vielen weiteren Lehrenden geschult. Neben der ganzheitlichen Betrachtung von Gebäuden wurden einzelne Materialien aufgezeigt, vom Anfang (Sand vom Strand) bis zum Einbau (Kellerbetonwand). Open-Source-Online-Tools zur Bewertung der Kreislauffähigkeit von Gebäuden wurden von Markus Winkler vorgestellt. Anke Bockreis hat den Teilnehmer:innen vermittelt, dass der Bausektor aufgrund seiner enormen Resourcen als Circular Economy Enabler wirken könnte. Helmut Rechberger hat mit einer Zahl aufhorchen lassen, die noch vielen in Erinnerung bleiben wird, denn jede Wienerin hat ein Materiallager von etwa 400 Tonnen an Baumaterialien hinter sich stehen. Die generelle Bewertungsproblematik und die Komplexität der verbauten Materialien (miteinander unwiderbringlich verbunden) sind zwei weitere spannende Aspekte. Erste Erfolge im Social Urban Mining konnten Markus Meissner (BauKarussel) und Matthias Neitsch (RepaNet) aufzeigen, denn der Rückbau von Gebäuden ist nicht nur finanziell attraktiv (Verkauf der Sekundär Rohstoffe), es können auch Arbeitskräfte eingesetzt werden, die auf dem primären Arbeitsmarkt nicht leicht vermittelt werden. Die Klimaresilienz von Gebäuden und Quartieren war das Thema von Markus Winkler (DU Krems), denn mit sich änderndem Klima ändern sich auch die Ansprüche an unsere Gebäude. Die Vorträge und Diskussionen waren so spannend, dass sich in Wien nach der ersten der drei Basismoduldurchgängen bereits eine „Arbeitsgruppe“ gebildet hat, die sich nun weiterhin trifft und austauscht.
Nur mit der Implementierung der Kreislaufwirtschaftsgrundsätze in der Bau- und Immobilienwirtschaft sind die Nachhaltigkeitsziele für unsere Welt erreichbar.
(Lisa Thompson)