Kohlendioxidemissionen und Trends werden oft statistisch über komplexe Modelle berechnet. „Die Möglichkeit der Validierung dieser Hochrechnungen und Jahresbilanzen wird zunehmend wichtiger, wenn verbindliche Länderziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen gefordert werden“, sagt Thomas Karl vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck. Unter seiner Leitung werden am Innsbrucker Atmosphärenobservatorium (IAO) seit 2017 laufend die Emissionen des wichtigsten Treibhausgases, Kohlendioxid (CO2), ermittelt. Die Messungen am 40 Meter hohen Messsturm des IAO im Stadtgebiet von Innsbruck liefern Daten über die Zusammensetzung der bodennahen Atmosphäre in der Stadt. „Diese Werte können als repräsentativ für den alpin-urbanen Raum angesehen werden kann“, sagt der Innsbrucker Atmosphärenforscher Thomas Karl.
Mehrere internationale Studien zeigen, dass die CO2-Emissionen in Innsbruck im europäischen Städtemittel liegen und in erster Linie aus dem Gebäude-, Gewerbe- und Verkehrssektor stammen. „Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie haben außerdem eine bisher nie dagewesene Situation geschaffen, in der wir die Modellprognosen sehr gut überprüfen konnten“, sagt Thomas Karl. Kohlendioxidemissionen werden am Innsbrucker Atmosphärenobservatorium mit einer speziellen Messmethodik, der sogenannten Eddy-Kovarianz-Methode, quantifiziert. Diese erlaubt es, die CO2-Quellen, aber auch Senken, auf ein bestimmtes Gebiet einzugrenzen. Die neuesten Auswertungen für die vergangenen sieben Jahre (2017-2023) zeigen signifikante Änderungen im Zeitverlauf.
Deutlicher Rückgang der Kohlendioxidemissionen
„Die Rückgänge während der Pandemiezeit waren in Innsbruck deutlich stärker ausgeprägt als Modellrechnungen der österreichweiten Treibhausgasbilanzierung und internationalen Bilanzierungen zu Österreich dies prognostiziert haben“, erläutert Thomas Karl. Die Messungen im Großraum Innsbruck spiegeln die wesentlichen urbanen Sektoren Verkehr und Gebäude wider. Generell haben sich die Emissionen seit 2018 um 20 % verringert, wobei die durch Mobilitätsreduktion geprägten Jahre 2020 und 2021 deutlich stärkere Rückgänge (bis zu 30 %) zeigen als prognostiziert. „Diese Unterschiede könnten durch Unsicherheiten in den Hochrechnungen oder durch regionale Unterschiede bedingt sein“, meint Atmosphärenforscher Thomas Karl. Wichtige Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen im Gebäudesektor sind unter anderem bessere Wärmedämmung oder der Umstieg auf Wärmepumpen. Aufgrund der geographischen Lage spielen in Westösterreich auch der Transitverkehr und der Tanktourismus eine wichtige Rolle.
Beobachtungsdaten, wie sie am IAO und in anderen europäischen Städten erfasst werden, haben eine zunehmend wichtige Funktion zur Plausibilisierung von CO2-Bilanzrechnungen. Das von der europäischen Kommission und der ESA gegründete Erdbeobachtungsprogramm COPERNICUS plant, in Zukunft solche bodengestützten Daten auch für die Interpretation von Beobachtungen aus dem Weltall heranzuziehen. Im experimentellen Team des IAO rund um Thomas Karl arbeiten Christian Lamprecht, Michael Stichaner und Werner Jud. Die derzeitigen Messungen werden von der Europäischen Weltraumagentur ESA und dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert.
Die Messdaten sind in der European Fluxes Database veröffentlicht: gaia.agraria.unitus.it
Publikation zur Methode: Decoupling of urban CO2 and air pollutant emission reductions during the European SARS-CoV-2 lockdown. Christian Lamprecht, Martin Graus, Marcus Striednig, Michael Stichaner, and Thomas Karl. Atmospheric Chemistry and Physics 21, 3091–3102 (2021) DOI: 10.5194/acp-21-3091-2021