„Mikroorganismen spielen eine wesentliche Rolle im Boden. In einem Gramm Erde leben rund 100 Milliarden Mikroorganismen. Würde es sie nicht mehr geben, gäbe es keinen Abbau von organischer Substanz, keine Mineralisierung mehr und in wenigen Jahrzehnten würde die Primärproduktion, also auch das Pflanzenwachstum, zum Erliegen kommen“, verdeutlicht Nadine Präg, Senior Scientist am Institut für Mikrobiologie der Uni Innsbruck, die Bedeutung ihres Forschungsgegenstandes. Ihre Forschung konzentriert sich unter anderem auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Bodenmikroorganismen, da der Boden als Lebensraum komplex und sensibel auf äußere Einflüsse wie z.B. Trockenheit oder Erwärmung reagiert. Dabei sind die Zusammenhänge im Boden äußerst komplex und die genauen Konsequenzen eines Stressfaktors laut der Mikrobiologin schwer vorhersehbar. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass extreme Trockenheit oder Hitze die mikrobielle Diversität – anders als man erwarten würde – erhöhen kann. Anfangs könnte man dies als positives Zeichen betrachten, jedoch zeigt sich, dass diese Zunahme der Diversität häufig mit wiederkehrenden Klimastörungen zusammenhängt, was die Bewertung der Diversitätsänderungen komplizierter macht. „Eine höhere Diversität ist nicht zwangsläufig positiv, da in manchen Ökosystemen Schlüsselorganismen ausreichen können, um ein funktionierendes System aufrechtzuerhalten“, erklärt Präg weiter. „Durch die Struktur des Bodens bietet er eine unendliche Vielfalt an Habitaten und beherbergt dadurch enorme Artendiversitäten, was den Boden zum artenreichsten singulären Habitat der Erde macht. Sicher ist jedenfalls: Wer sich mit Klimawandel beschäftigt, muss sich auch mit Mikroorganismen beschäftigen“, so Nadine Präg.
Klimawirksame Mikroorganismen
Mikroorganismen spielen in Hinblick auf das Klima eine entscheidende Rolle, indem sie klimarelevante Gase ausscheiden und/oder konsumieren. So gibt es Mikroorganismen, die zur Produktion und zum Verbrauch von Methan, dem zweitwichtigsten Treibhausgas nach CO2, beitragen. Nadine Präg hat sich intensiv mit dem Wechselspiel zwischen methanogenen – Methan produzierenden – Mikroorganismen und methanotrophen – Methan konsumierenden – Mikroorganismen beschäftigt. „Dieses dynamische Zusammenspiel ist besonders relevant im Hinblick auf die Klimaveränderungen und wie Temperaturänderungen den Methankreislauf im Boden beeinflussen können“, erklärt die Mikrobiologin. Bemerkenswert ist, dass die methanogenen Organismen Archaeen sind – eine Organismengruppe, die erst vor etwa 50 Jahren identifiziert wurde. Die Entdeckung, dass Archaeen eine komplett eigene Gruppe darstellen, hat ganz neue Forschungsfelder eröffnet und bietet die Möglichkeit, ihre spezifischen Funktionen im Boden weiter zu untersuchen. – Vor allem, weil ihre Rolle als Methanemittenten sowohl für das Verständnis des Methankreislaufs als auch für die Auswirkungen der Landnutzung auf diesen Kreislauf von großer Bedeutung ist. „Die Methan-produzierenden Archaeen fühlen sich in sauerstoffarmen, verdichteten Böden sehr wohl. Typische Habitate, die diese Bedingungen bieten und wo Methan in großen Mengen produziert wird, sind Feuchtgebiete, Reisfelder und auch Wiederkäuer. Methan kann aber auch von bestimmten Mikroorganismen, den sogenannten methanotrophen Mikroorganismen, aufgenommen und verstoffwechselt werden, was sie zur einzigen biologischen Senke für Methan macht. Methanotrophe Mikroorganismen hingegen benötigen Sauerstoff, um ihre Funktion zu erfüllen – in Waldböden, die meist locker strukturiert sind, fühlen sich diese Methansenker sehr wohl“, erklärt Nadine Präg. In normalen Wiesenböden findet man beide Gruppen in verschiedenen Schichten, wobei die methanotrophen Mikroorganismen sich in den oberen, sauerstoffreichen Schichten befinden und das von den darunter liegenden, sauerstoffarmen Schichten produzierte Methan oxidieren, und damit die Netto-Methanfreisetzung reduzieren. Die Art der Bodenbewirtschaftung, insbesondere die Düngung, kann somit die Aktivität von Methanogenen als auch von Methanotrophen beeinflussen. „Die Balance zwischen diesen beiden Mikroorganismengruppen ist daher entscheidend für die Regulierung des Methankreislaufs im Hinblick auf den Klimawandel“, erklärt die Mikrobiologin Nadine Präg.
Gesamtüberblick – das alpine Mikrobiom
In der Mikrobiologie ist die Diversität mikrobieller Organismen ein zentrales Thema, das durch methodische Fortschritte zunehmend in den Fokus der Forschung rückt. Die modernen Methoden ermöglichen es Wissenschaftler:innen wie Nadine Präg, diese Diversität zu untersuchen und .zwar unabhängig davon, dass der größte Teil der Bodenmikroorganismen nicht kultivierbar ist. „Diese Untersuchungen erweitern unser Verständnis von mikrobieller Vielfalt, die im Vergleich zur gut untersuchten Vielfalt von Pflanzen und Tieren noch relativ unerforscht ist“, so die Mikrobiologin.
Im Projekt "Microvalu" arbeitet die Wissenschaftlerin mit Kolleg:innen des Instituts für Mikrobiologie, aber auch mit Botaniker:innen und Zoolog:innen zusammen, um das Zusammenspiel zwischen allen Mikroorganismen im Boden und jenen, die an Pflanzen haften und von Tieren weitergegeben werden, zu verstehen. In einem ganzheitlichen Ansatz soll ein gemeinsames Mikrobiom aller Bodenmikroorganismen – einschließlich des Mikrobioms von Weidetieren, Bodentieren, und Pflanzenwurzeln erstellt werden. Die Wissenchaflter:innen erforschen im Rahmen des vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt, wie sich Mikroorganismen(gemeinschaften) abhängig von Bodeneigenschaften wie dem Gehalt an organischer Substanz, der Feuchtigkeit, der Vielfalt der Tiergemeinschaften oder der Höhenlage verändern. „Der Einfluss der Höhenlage ist besonders wichtig, denn wenn wir verstehen, wie die Höhenlage die Wechselwirkungen im Boden verändert, verstehen wir auch, wie das veränderte Klima in Zukunft die mikrobielle Artenvielfalt und die Gesundheit von Böden beeinflussen könnte“, erklärt Präg, die derzeit an der finalen Auswertung der im Rahmen des Projekts gesammelten Daten arbeitet.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins wissenswert erschienen. Eine digitale Ausgabe finden Sie hier.