Bücher wechselten im Laufe der Geschichte häufig ihre Besitzer: Sie wurden verkauft, verschenkt, verliehen, getauscht, geraubt oder gar zerstört. Bedeutende Büchersammlungen veränderten sich auf diese Weise, wurden in alle Welt verstreut oder gingen unwiederbringlich verloren.
Die Bibliotheken der Tiroler Klöster erfuhren mit den Aufhebungen Ende des 18. Jahrhunderts unter Joseph II. bzw. unter bayerischer Herrschaft am Beginn des 19. Jahrhunderts eine Zäsur. Große Teile der Bestände gelangten an die damalige Lyzealbibliothek in Innsbruck (heute Universitäts- und Landesbibliothek Tirol); auch die Hofbibliotheken in Wien bzw. in München machten von ihrem Vorwahlrecht Gebrauch. Die größeren Stifte, wie Wilten und Neustift, wurden später wiedererrichtet, verzichteten dabei zum Teil auf die vormals abgegebenen Bücher, erhielten Teile davon zurück oder bauten den vor Ort verbliebenen Bestand durch Neuzukäufe wieder auf. Noch im späten 19. und im 20. Jahrhundert kamen Bücher aus diesen Sammlungen allerdings erneut auf unterschiedlichen Wegen abhanden; Streubestände sind heute in aller Welt auszumachen.
Die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol digitalisiert seit 2020 systematisch ihren gesamten, über 1100 Objekte umfassenden Handschriftenbestand. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf den Handschriften aus den großen Tiroler Stiftsbibliotheken. Ziel ist es dabei, ehemals zusammengehörende, heute getrennte Handschriftensammlungen virtuell wieder zusammenzuführen und zugänglich zu machen. Angestrebt wird eine Digitalisierung aller heute noch nachweisbaren Handschriften, unabhängig von ihrem jetzigen Aufbewahrungsort.
Die Präsentation der virtuellen Bibliotheken erfolgt auf der Plattform ULB : Exhibition, die 2023 an der Universitäts- und Landesbibliothek für virtuelle Ausstellungen implementiert wurde. Bereits erkundet werden können hier die ehemaligen Handschriftensammlungen des Augustiner Chorherrenstiftes Neustift in Vahrn bei Brixen (Südtirol) und des Prämonstratenser Chorherrenstiftes Wilten in Innsbruck. Die Präsentation der mittelalterlichen Handschriften aus der Stiftsbibliothek Stams ist derzeit in Ausarbeitung.
Bibliotheca Wilthinensis digital
Anlässlich des 900-jährigen Bestehens des Prämonstratenserordens im Jahr 2021 wurde in einem Kooperationsprojekt zwischen dem Stift Wilten in Innsbruck und der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol der heute verstreute Handschriftenbestand aus der ehemaligen Stiftsbibliothek digitalisiert und online zugänglich gemacht.
Bibliotheca Neocellensis digital
100 Jahre nach der teilweisen Rückführung von Neustifter Handschriften aus der Universitätsbibliothek Innsbruck in das Augustiner Chorherrenstift Neustift bei Brixen wurden 2021 die Arbeiten zur virtuellen Zusammenführung der verstreuten Bestände in Angriff genommen. Die Ergebnisse sind ebenfalls über ULB : Exhibition zugänglich.