Jedes Frühjahr keimen in unseren Wäldern Milliarden von Baumsamen, aber nur ein Bruchteil davon überlebt das erste Jahr. Neben biotischen Faktoren wie z.B. Fraß oder Beschattung durch die umgebende Vegetation, stellt vor allem Trockenheit eine große Gefahr dar. Insbesondereim im Frühjahr und Sommer führen Trockenphasen zum erhöhten Absterben junger Pflanzen.
Barbara Beikircher vom Institut für Botanik widmete sich mit ihrem Team in einer kürzlich erschienenen Studie einer bisher ungelösten Fragestellung. Mithilfe einer neuen Methodik untersuchten sie, wie hoch die Toleranz von Sämlingen gegenüber Trockenheit tatsächlich ist. “Die Entwicklung von neuen Techniken, um die Widerstandsfähigkeit des Wasserleitsystems der kleinen Pflänzchen zu messen, war eine große Herausforderung“, erklärt sie.
Hörbarer Trockenstress
Wasser wird in Pflanzen über spezielle Leitelemente im Holz von der Wurzel zum Blatt transportiert. Bei Trockenstress kann es passieren, dass das Wasser in den Leitelementen durch Luft verdrängt wird und sogenannte Embolien entstehen, die den Wassertransport unterbrechen. Beim Übergang vom wasser- zum luftgefüllten Zustand wird ein Geräusch im Ultraschallbereich erzeugt, welches durch spezielle Sensoren registriert und aufgezeichnet werden kann. So kann quantifiziert werden, wieviel Trockenstress Pflanzen tolerieren, ohne dass ihr Leitsystem zusammenbricht.
Für die Studie wurden Sämlinge von sechs einheimischen, forstwirtschaftlich relevanten Baumarten angezogen und zwischen ihrer Keimung im Frühjahr und dem Ende ihrer Wachstumsperiode im Spätherbst auf ihre Toleranz gegenüber Embolien getestet. Zeitgleich wurde die Trockenheitstoleranz der Blattgewebe untersucht, denn ein funktionierendes Wasserleitsystem nutzt der Pflanze wenig, wenn sie keine Blätter hat, um Photosynthese zu betreiben und umgekehrt.
Sicherheit versus Effizienz
Bei den jüngsten Pflanzenstadien reichte bereits geringer Trockenstress, um das Wasserleitsystem zusammenbrechen und Blätter über ein kritisches Maß hinaus dehydrieren zu lassen. Am Ende des ersten Sommers war die Trockenheitstoleranz der Jungpflanzen allerdings bereits vergleichbar mit jener adulter Bäume. „Auch wenn wir davon ausgegangen sind, dass sich die Widerstandsfähigkeit des Leitsystems im Laufe der Entwicklung ändert, waren wir doch über die Geschwindigkeit und das Ausmaß überrascht“, sagt Beikircher.
Neben der Trockenheitstoleranz hat sich das Forscher:innen-Team die Effizienz des Wasserleitsystems angesehen, also wieviel Wasser im Stamm transportiert werden kann und wie gut die Blätter mit Wasser versorgt werden. Es zeigte sich, dass die Effizienz über die ersten zehn Wochen hinweg deutlich abnahm, bevor sie sich auf einem stabilen Wert einpendelte. Das klingt zunächst zwar merkwürdig, ist für die Forscher:innen aber nicht überraschend. Ein ähnliches Muster wurde auch schon in früheren Studien festgestellt und macht für die Pflanze durchaus Sinn: In den ersten Wochen ist es für Sämlinge besonders wichtig zu wachsen und sich im Boden zu verankern. Nur dadurch können sie sich Zugang zu Licht, Wasser und Nährstoffen sichern und mit benachbarten Pflanzen konkurrieren. Um genügend Energie zum Wachsen zu haben, müssen sie allerdings ausreichend Photosynthese betreiben können, was nur fiunktioniert, wenn die Blätter ausreichend mit Wasser versorgt sind. Sobald die Sämlinge etabliert sind, tritt das Überleben widriger Umweltbedingungen, wie z.B. Trockenheit, in den Vordergrund. Dann ist die Ausbildung eines widerstandsfähigeren (dafür aber weniger effizienten) Wasserleitsystems von Vorteil. Interessanterweise fand dieser Übergang bei allen untersuchten Arten ca. zwei Monate nach der Keimung statt, also zu einem Zeitpunkt wo die Gefahr von sommerlichen Trockenperioden deutlich zunahm.
Wälder klimafit planen
Die Studie liefert neue und wichtige Erkenntnisse im Bereich des pflanzlichen Wasserhaushalts, ihre Bedeutung geht aber noch darüber hinaus. Basierend auf den Erkenntnissen können nun neue Versuchsreihen geplant werden, in denen einen Vielzahl von Arten und weitere wichtige Aspekte miteinbezogen werden sollen. Solche Studien sind essentiell, um verlässliche Prognosen über die zukünftige Vegetationszusammensetzung erstellen zu können, aber auch um weitreichende Entscheidungen im Waldbau zu unterstützen. Letztendlich sind nämlich nur jene Baumarten wirklich klimafit, deren Sämlinge es auch sind.
Publikation: Beikircher B., Held M., Losso A., Mayr S. (2024): New insights into a sensitive life stage: hydraulics of tree seedlings in their first growing season. New Phytologist. doi.org/10.1111/nph.20243
(Barbara Beikircher)