Die Grünalgen-Gattung Spirogyra in ihrem natürlichen Habitat.

Die Grünalgen-Gattung Spirogyra in ihrem natürlichen Habitat.

Drei­di­men­si­o­nale Ein­bli­cke in die Fort­pflan­zung von Grünal­gen

Die Forschungsgruppe um Andreas Holzinger vom Institut für Botanik hat sich auf Grünalgen spezialisiert. Vor kurzem ist es den Wissenschaftler:innen gelungen, einen Teil des Fortpflanzungszyklus der Algen dreidimensional zu rekonstruieren. Der Erstautor dieser Studie, Sebastian Antreich, wurde für die Arbeit mit dem „Fritz Grasenick-Preis“ der Österreichischen Gesellschaft für Elektronenmikroskopie ausgezeichnet.

Grünalgen der Klasse der Zygnematophyceen sind enge Verwandte der Landpflanzen und bilden fädige Matten in feuchten Umgebungen, wie sie in Alpenregionen, Polargebieten oder am Straßenrand vorkommen können. Andreas Holzinger erforscht seit vielen Jahren die Überlebensstrategien dieser evolutionär interessanten Algen. „Wir konnten bereits zeigen, dass diese Algengruppe besondere Schutzsubstanzen gegen hohe Sonnenstrahlung und UV-Strahlung aufweisen. Gegen Austrocknung sind diese Algen durch eine dicke Schleimschichte geschützt“, erklärt Andreas Holzinger. Die Frage, wie die Besiedlung von neu entstandenen Lebensräumen funktioniert, beschäftigt die Forschungsgruppe um den Botaniker im Rahmen des vom österreichischen Forschungsförderungsfonds FWF finanzierten Projekts Sexual Reproduction of Zygnematophyceae.

Sexuelle Vermehrung durch Konjugation

„Zygnematophyceen weisen eine ganz besondere sexuelle Vermehrung auf, die Konjugation genannt wird und die der Gruppe ihren früheren Namen gegeben hat – Conjugatae. Dabei legen sich zwei kopulationsbereite Fäden aneinander, bilden eine Verbindung und die Inhalte von zwei Zellen – die Gameten – verschmelzen und bilden eine diploide Zygote aus, welche Zygospore genannt wird“, erklärt Andreas Holzinger. „Dieser Vorgang kann entweder zwischen zwei unterschiedlichen Fäden stattfinden, dann spricht man von scalariformer Konjugation, oder auch innerhalb eines Fadens zwischen benachbarten Zellen, dann spricht man von lateraler Konjugation.“ Das Besondere an dieser Form der Vermehrung durch Konjugation bei dieser Klasse der Grünalgen ist, dass keine begeißelten Stadien gebildet werden und der Vorgang im Prinzip unabhängig von flüssigem Wasser stattfinden kann. „Sobald eine Zygospore gebildet wurde, beginnt die aufwendige Zygosporenreifung, die zu äußerst widerstandsfähigen Verbreitungseinheiten führt. Diese können über lange Distanzen verbreitet werden, längere Zeiträume überdauern und bei geeigneten Lebensbedingungen wieder keimen.

3D-Rekonstruktion

Die Botaniker:innen konnten zeigen, dass die Wand einer reifen Zygospore drei Schichten hat: Zwei Schichten bestehen aus Cellulose (die innerste und äußerste Schicht) und die mittlere Schicht enthält Polyphenole, was sie besonders widerstandsfähig macht.

Bild von Zygosporen und deren Rekonstruktion: links das lichtmikroskopische Bild und rechts die 3D Rekonstruktion nach SBF-SEM.

Bild von Zygosporen und deren Rekonstruktion: links das lichtmikroskopische Bild und rechts die 3D Rekonstruktion nach SBF-SEM.

Für diese Arbeit wurden Zygosporen der Gattung Spirogyra aus Feldproben gesammelt, einer Hochdruckgefrierfixierung unterzogen, in Kunststoff eingebettet und dann mittels ‚Serial block-face Scanning Elektronenmikroskopie‘ (SBF-SEM) untersucht. „Dabei wird die äußerste hauchdünne Schicht der Probe mit einem in ein Rasterelektronenmikroskop eingebauten Ultramikrotom weggeschnitten und die freiwerdende Fläche mit dem Rasterelektronenmikroskop fotografiert. Wenn man diesen Vorgang oft genug wiederholt, lassen sich aus den dadurch entstehenden Bildstapeln 3D-Rekonstruktionen erstellen“, beschreibt Andreas Holzinger die Vorgangsweise. „Dazu müssen aber noch die unterschiedlichen Bestandteile der Zelle segmentiert werden, sodass man dann beispielsweise Fettröpfchen, Stärke, Chloroplasten und den Zellkern unterscheiden kann. Dies kann ein sehr zeitaufwändiger Vorgang sein, den Sebastian Antreich, der Erstautor dieser Studie, mit viel Geduld durchgeführt hat“, so Holzinger.

Drastische Umgestaltungen der Speicherstoffe und Zellwand

Die Zygosporenreifung wurde an insgesamt fünf verschiedenen Spirogyra-Stämmen aus den Tiroler Alpen, der Steiermark und Griechenland untersucht. „Nur so lässt sich ein umfangreiches Bild erstellen“, betont Andreas Holzinger. „Es konnte gezeigt werden, dass Teile der Chloroplasten und Stärke abgebaut und als Baustoff für die Zellwand verwendet werden. Im Gegensatz dazu werden Fette angereichert und dienen ähnlich wie in Samen höherer Pflanzen als Reservestoffe. So konnte bei einer Art gezeigt werden, dass in reifen Zygosporen ungefähr 50 % des Zellvolumens aus Fetten bestehen“, beschreibt Holzinger die Ergebnisse. Die Botaniker konnten auch eine weitere Besonderheit der Zellwände genauer untersuchen. „Diese spezielle Anordnung, die der Zellwand eine besondere Härte verleiht, ist sonst nur in Steinobst zu finden und konnte erstmals in den nächsten Verwandten der Landpflanzen nachgewiesen werden“, erklärt Andreas Holzinger.

Fritz Grasenick-Preis für Sebastian Antreich

Sebastian Antreich und Gerd Leitinger

Sebastian Antreich (links) erhielt bei der Jahrestagung der österreichischen Gesellschaft für Elektronenmikroskopie (ASEM) von Prof. Gerd Leitinger, dem Präsidenten dieser Gesellschaft, den 'Fritz Grasenick Preis'.

Sebastian Antreich, Post-Doc im FWF-Projekt von Andreas Holzinger, wurde für die Arbeit mit dem „Fritz Grasenick-Preis“ der Österreichischen Gesellschaft für Elektronenmikroskopie ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 4. April 2024 an der MedUni in Graz statt.

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