Die von Francine Marleau am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck geleitete Studie hat im Perseus-Galaxienhaufen insgesamt 1100 Zwerggalaxien identifiziert, 630 davon waren bisher unentdeckt. Zwerggalaxien sind sehr schwer zu finden, weil sie nicht sehr hell sind und ihr Licht diffus über den Himmel verteilt ist. Das Team um Francine Marleau analysierte auf Basis der Daten des Weltraumteleskops Euclid die Struktur und Größe der Zwerggalaxien und fand auch Sternenhaufen um die Galaxien herum. Mit Hilfe der entdeckten Galaxien konnte das Team auch die sogenannte Leuchtkraftfunktion bestimmen. „Diese Funktion kann man wie das Ergebnis einer Volkszählung verstehen“, erklärt Francine Marleau. „Sie gibt an, wie viele Galaxien mit einer bestimmten Leuchtkraft es gibt. Mit den neu entdeckten Zwerggalaxien konnten wir unser Wissen über diese Funktion auf deutlich ‚dunklere‘ Galaxien ausweiten.“
Neben dem Perseus-Galaxienhaufen wurde in den neun nun veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten auch der Fornax-Galaxienhaufen untersucht, wo 5.000 neue Sternenhaufen gefunden wurden. „Außerdem wurden Galaxien in unserer ‚näheren‘ Nachbarschaft entdeckt“, erzählt Laila Linke, Postdoktorandin am Institut für Astro- und Teilchenphysik und Projektleiterin. „Astronomisch gesehen nahe bedeutet aber immer noch 1,6 bis 29,7 Millionen Lichtjahre Entfernung zur Erde.“ Dort kann das Teleskop Bilder einzelner Sterne aufnehmen und die Wissenschaftler:innen können damit verschiedene Sternpopulationen charakterisieren.
Der dunklen Materie auf der Spur
Galaxienhaufen beinhalten sehr viel dunkle Materie. Ihre Masse verzerrt durch den Gravitationslinseneffekt die beobachteten Formen von weit entfernten Hintergrundgalaxien. Forschungsgruppenleiter Tim Schrabback, ebenfalls am Institut für Astro- und Teilchenphysik, analysierte mit einem internationalen Team die dunkle Materie des Galaxienhaufens Abell 2390. „Unsere Studie zeigt, wie hervorragend das neue Instrument für diese Analyse geeignet ist“, freut sich Tim Schrabback. „Über die Verzerrung der Formen von Hintergrundgalaxien konnten wir die Verteilung der dunklen Materie im und rund um den Galaxienhaufen vermessen.“
Die neuen Ergebnisse demonstrieren die Stärken des Euclid-Teleskops: „Das neue Instrument kann einen großen Bereich des Sternenhimmels auf einmal beobachten und liefert damit eine repräsentative Stichprobe aller Galaxien“, sagt Laila Linke. „Durch die hohe Sensitivität auf Oberflächenhelligkeit finden wir auch Zwerggalaxien und sehr diffuse Galaxien. Mit den durch die hohe räumliche Auflösung besonders scharfen Bildern können wir Zwerggalaxien identifizieren und gleichzeitig sogenannte Nuclear-Star-Clusters und Kugelsternhaufen entdecken und charakterisieren.“
Neues Instrument der Wissenschaft
Das Weltraumteleskop Euclid der Europäischen Raumfahrtagentur ESA ist vor knapp einem Jahr, am 1. Juli 2023, gestartet und soll die bisher größte 3D-Karte des Weltalls erstellen. Davon erhoffen sich die Wissenschaft, mehr über die bisher unerforschte dunkle Materie und dunkle Energie des Universums zu erfahren. Die Daten von Euclid werden vom internationalen Euclid-Konsortium ausgewertet. Das Weltraumteleskop mit 1,2 Metern Durchmesser soll über die nächsten Jahre die größte und genauste 3D-Karte des Universums erstellen und Milliarden von Galaxien beobachten. Anhand dieser Karte kann Euclid offenlegen, wie das Universum sich nach dem Urknall ausgedehnt hat und wie sich die Strukturen im Universum entwickelt haben. Dies wird Wissenschaftler:innen mehr Anhaltspunkte geben, um die Rolle der Schwerkraft und das Wesen von dunkler Energie und dunkler Materie besser zu verstehen. Das Euclid-Konsortium – bestehend aus 2.000 Wissenschaftler:innen in 300 Forschungseinrichtungen in 15 Ländern – wertet die Missionsdaten aus. Dabei werden die Daten auch mit erdgebundenen Teleskopen ergänzt. Die Forschungsteams von Tim Schrabback und Francine Marleau an der Universität Innsbruck sind maßgeblich an dem Projekt beteiligt.