Seit 2022 liegt zudem die Hofmannsthal-Edition Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe geschlossen und vollständig vor. 1967 wurden die Arbeiten begonnen, 1975 erschien der erste Band im Druck. Insgesamt beläuft sich diese germanistisch gesehen drei- bis viergenerationelle Edition auf 40 Bände in 42 Teilbänden und umfasst insgesamt 28.500 Druckseiten. Darin enthalten und kommentiert sind rund 1.100 Werke, Pläne und Entwürfe. Diese Zahlen geben einen ungefähren Eindruck von der Produktivität dieses vielseitigen Autors, der zu den wichtigsten Vertretern der deutschsprachigen Moderne zählt.
Trotz der intensiven Beschäftigung mit dem Nachlass, der zum Großteil im Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt/M. aufbewahrt wird, fehlte bislang eine eingehende biographische Auseinandersetzung, die das Oeuvre entsprechend miteinbezieht und würdigt. Dieses Desiderat konnte von den beiden Vorsitzenden der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft nun gefüllt werden. Die Biographie ist ein Standardwerk, gut lesbar und von stupender Kenntnis der Lebensphasen, der Werke und der Rezeption. Der chronologische Aufbau folgt den wesentlichen Stationen – vom Frühwerk eines Genies über die Sprachkrise der Jahrhundertwende bis zum Salzburger Festspielprojekt.
Am 8. Februar 2024 fand die Präsentation in Innsbruck in besonderem Rahmen statt. Im Vortragssaal des Tiroler Landeskonservatoriums im Haus der Musik stellten Elsbeth Dangel-Pelloquin und Alexander Honold die Studie mit dem beziehungsvollen Titel «Grenzenlose Verwandlung» vor. In einer Diskussion, moderiert von Ulrike Tanzer (Forschungsinstitut Brenner-Archiv), wurde das Verhältnis von biographischer und werkgeschichtlicher Dimension ebenso beleuchtet wie das Verhältnis von Tradition und Aktualität, ein Thema, das für die Hofmannsthal-Rezeption von Beginn an von besonderer Bedeutung war. Einen Schwerpunkt des Abends bildete die Beziehung zwischen Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss. Annette Seiler, Professorin für Klavier, Klaviervokalbegleitung und Liedgestaltung am Tiroler Landeskonservatorium, brachte hier die musikwissenschaftliche Perspektive ein. Die Lesung aus der Biographie, lebendig vorgetragen von Elsbeth Dangel-Pelloquin, zeigte eine wechselvolle Arbeitsbeziehung zwischen dem feinnervigen Schriftsteller und dem vollkommen gegensätzlichen Komponisten. Nicht nur die unterschiedlichen Temperamente, sondern auch die unterschiedliche Perspektive auf Wort und Bild führte zu Spannungen und Differenzen. Dennoch wurde die Zusammenarbeit nie aufgegeben und führte zu großen Erfolgen. Der Rosenkavalier (UA: 26.01.1911 am Dresdner Opernhaus) wurde durch die kongeniale Zusammenarbeit von Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Alfred Roller, zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk, das noch heute im Repertoire der Opernhäuser weltweit zu finden ist.
Höhepunkt des Abends war aber das musikalische Programm, ausgeführt durch Studentinnen des Tiroler Landeskonservatoriums (Klassen: Annette Seiler und Maria Erlacher). Lena Maria Garber (Sopran) und Lena Roswitha Kleiner (Klavier) interpretierten Lieder von Richard Strauss. Das zahlreich erschienene Publikum dankte mit begeistertem Applaus!
(Ulrike Tanzer)
Elsbeth Dangel-Pelloquin und Alexander Honold: Grenzenlose Verwandlung. Hugo von Hofmannsthal. Biographie. Frankfurt/M.: S. Fischer 2024, 896 S.