Gruppenfoto mit sechs Personen.

Vorne: Eva Lavric; dahinter, v.l.n.r.: Andrew Skinner, Vincenzo Folino, Gerhard Pisek, Machteld Meulleman, Gilbert Prilasnig.

Im Fuß­ball zäh­len neben den Füßen auch die Zun­gen

Doppelte Buchpräsentation zum Thema „Fußball und Sprache(n)“Rechtzeitig vor Beginn der EURO haben der Frankreich-Schwerpunkt der Uni Innsbruck und der linguistische Arbeitskreis der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät am 11. Juni 2024 zwei kürzlich erschienene Sammelbände zum Thema Fußball und Sprache/Sprachen vorgestellt.

Ehrengast war der ehemalige österreichische Nationalspieler Gilbert Prilasnig, „der Fußballer mit den 12 Sprachen“, der über Mehrsprachigkeit in Fußballmannschaften berichtete. Hier die beiden Sammelbände, die zeigen, dass Sprache, wie sie von Spieler:innen, Trainer:innen, Journalist:innen und natürlich den Fans gepflegt wird, auch der Linguistik und Kulturwissenschaft ein spannungsgeladenes Spielfeld bietet:

  • Lavric, Eva / Pisek, Gerhard (Hrsg.): Language and Football (TBL – Tübinger Beiträge zur Linguistik 589), Tübingen: Narr / Francke / Attempto 2024
  • Lavric, Eva / Meulleman, Machteld (Hrsg.) : Du corps aux langues dans le football : match interdisciplinaire. Körper und Sprachen im Fußball: ein Match der Disziplinen, Innsbruck: IUP (Innsbruck University Press) 2023

Moderiert von Eva Lavric (Mit-Herausgeberin beider Bände und Leiterin des Frankreich-Schwerpunkts), sprachen deren jeweilige Ko-Herausgeber Gerhard Pisek (Uni Innsbruck, Institut für Anglistik) und Machteld Meulleman (Univ. Reims Champagne-Ardenne). Gerhard Pisek erzählte von der „Innsbrucker Fußball-Forschungsgruppe“, von ihrer Gründung im Jahr 2005 und von ihren Aktivitäten, insbesondere der Herausgabe des pionierhaften Sammelbands „The Linguistics of Football“ bereits 2009. Machteld Meulleman stellte beispielhaft einen der Beiträge des „Körper und Sprachen“-Bandes vor, nämlich ihren eigenen, in dem es darum geht, wie Journalist:innen die Protagonistinnen im Frauen-Fußball bezeichnen, ob mit weiblichen (la joueuse, l’entraîneuse) oder – gar nicht so selten – mit männlichen Bezeichnungen (le joueur, l’entraîneur). Auch aus dem „Language and Football“-Band wurde ein Beitrag vorgestellt: Es sprach Vincenzo Folino, der professionell Fußball gespielt und dann in Innsbruck Romanistik studiert hat, zum Thema „Sprachen im Fußball“ (Thema seiner Diplomarbeit und seines Beitrags im Sammelband).

Zum Abschluss wurde dann Gilbert Prilasnig vor das Mikrophon gebeten, dem im Übrigen das universitäre Setting keineswegs fremd ist, hat er doch selbst neben seiner beachtlichen Fußball-Karriere in Graz Angewandte Sprachwissenschaft studiert. Er erzählte von seinem Werdegang und von seinem frühen Interesse für Sprachen – etliche seiner 12 Sprachen gehen bereits auf seine Schulzeit zurück. Später spielte er in Griechenland und in Polen und hat auch dort – zum Erstaunen seiner Teamkollegen – sehr rasch die Sprachen gelernt. Kein Wunder, dass er in den jeweiligen Klubs dann auch immer wieder zum Dolmetschen herangezogen wurde – übrigens eine gängige Praxis in mehrsprachigen Mannschaften, wie auch der Einsatz von professionellen Übersetzer:innen, die Organisation von verpflichtenden Sprachkursen u.v.a.m. „Viele Trainer verlangen, dass in der Kabine nur die jeweilige Landessprache gesprochen wird, weil sie fürchten, dass die Bildung von kleinen Grüppchen nach Muttersprachen dem Teamgeist abträglich sein könnte“, so der langjährige Jugend-Trainer von Sturm Graz. „Ich finde das unnatürlich und unnötig, warum sollen die Spieler nicht ihre gemeinsamen Sprachen verwenden? Man sollte das sehr entspannt angehen.“

Abschließend erzählte Prilasnig auch von seinem Engagement beim „Homeless World Cup“, der wohnungslosen Menschen hilft, wieder Selbstvertrauen zu gewinnen und so im normalen Leben Fuß fassen zu können. Gilbert Prilasnig ist dort schon seit 2004 Teamchef und schlägt damit beinahe alle Langzeit-Rekorde. Er wurde für diese Tätigkeit 2017 mit dem Menschenrechtspreis der Stadt Graz ausgezeichnet.

(Eva Lavric)

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