Bäume gehören zu den größten Lebewesen, entsprechend auffällig und unübersehbar sind sie. Umso erstaunlicher ist es, dass selbst in so gut erforschten Gebieten wie Europa immer noch neue, der Wissenschaft unbekannte Baumarten entdeckt werden. So auch in diesem Jahr.
Die Forschungsgruppe Biodiversität um Peter Schönswetter und Božo Frajman vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck beschäftigt sich insbesondere mit der Biodiversität in Gebirgsregionen. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf den Alpen, sondern auch auf den Gebirgen der Balkanhalbinsel, deren Artenreichtum jenen der Alpen noch deutlich übertrifft. In zahlreichen vom OeAD (Agentur für Bildung und Internationalisierung) geförderten Kooperationen zwischen Wissenschaftler:innen der Universitäten Innsbruck, Belgrad (Serbien), Zagreb (Kroatien), Podgorica (Montenegro) und Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) wird an der Erforschung der Flora der Balkanhalbinsel gearbeitet. Diese ist aufgrund ihrer hohen Biodiversität von internationaler Bedeutung.
Deutliche genetische und morphologische Unterschiede
Im Zuge von Feldforschungen serbischer Botaniker:innen um Dmitar Lakušić und Nevena Kuzmanović auf der südlichen Balkanhalbinsel wurden im nördlichen Pindus-Gebirge in Nordgriechenland und Südalbanien Bäume entdeckt, die der in Europa weit verbreiteten Gewöhnlichen Hainbuche (Carpinus betulus) ähneln, sich aber in zahlreichen Merkmalen wie der rauen, stark gefurchten Rinde, der Form der Fruchtstände und der Blattkonsistenz unterscheiden. Die gesammelten Proben wurden in Innsbruck genetisch untersucht, um die Verwandtschaftsverhältnisse zu anderen Hainbuchenarten festzustellen. Zusätzlich wurde die Menge der DNA im Zellkern mittels Durchflusszytometrie bestimmt.
Ziel der Studie war es, den evolutionären Ursprung zu untersuchen und zu klären, ob es sich um eine neue Art handelt. Die Untersuchungen ergaben deutliche genetische und morphologische Unterschiede zwischen der neu entdeckten Art und allen anderen bisher bekannten Hainbuchenarten. Zudem enthält der Zellkern deutlich mehr DNA, was auf eine Vervielfachung der Chromosomensätze (Polyploidie) zurückzuführen ist. Die Ergebnisse führten zur Beschreibung einer neuen Baumart, die Carpinus austrobalcanica D. Lakušić, Kuzmanović, Stevanoski, Schönsw. & Frajman genannt wurde. Der Artname "austrobalcanica" leitet sich vom Verbreitungsgebiet, der südlichen Balkanhalbinsel, ab.
Stark gefährdet
Carpinus austrobalcanica ist auf ein kleines Gebiet im Süden Albaniens und im Norden Griechenlands beschränkt. Dort besiedelt die Art wärme- und trockenheitsangepasste, submediterrane Eichen-Hainbuchenwälder auf flachgründigen Kalkböden an steilen Hängen der oberen montanen Stufe. In einigen Gebieten bildet sie fast monodominante Bestände, in anderen wächst sie in Mischgesellschaften mit anderen Gehölzarten.
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand über die Verbreitung der Art ist Carpinus austrobalcanica als „stark gefährdet (EN)“ einzustufen.
Momentan werden Jungpflanzen von Carpinus austrobalcanica im Botanischen Garten der Universität Innsbruck herangezogen, um weitere Untersuchungen durchführen zu können.
Die Forschung wurde vom Ministerium für Wissenschaft, technologische Entwicklung und Innovation der Republik Serbien und der OeAD-GmbH – Agentur für Bildung und Internationalisierung unterstützt.