Geldmangel verhinderte den Bau der Oberkirche in ‚Colónia Güell‘. Nachdem im spanischen Bürgerkrieg das Modell und sämtliche Pläne vernichtet waren, galt eine der wichtigsten Arbeiten Gaudís als verloren. Die detaillierte Rekonstruktion des verschollenen Kirchenprojekts gelang in einem langjährigen internationalen Forschungsprojekt unter Leitung von Prof. Rainer Graefe – ein Erfolg, der international Aufsehen erregte.
An dem Projekt waren an der Universität Innsbruck das Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, das damalige Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege, der Arbeitsbereich Vermessung und Geoinformation (Prof. Klaus Hanke) und das Moskauer Institut für Geodäsie und Kartographie (Prof. Leonid Demjanov) beteiligt. Gefördert wurde das Projekt von der CAM - Caja Mediterráneo Alicante, vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, vom Museu Diocesà de Barcelona und vom Vizerektorat für Forschung der Universität Innsbruck.
Die hochkomplexen Modelle des Kirchenentwurfs wurden in einem aufwändigen Prozess mit einem Team begeisterter Architekturstudierenden in der Werkstatt der Innsbrucker Architekturfakultät (Leitung Ernest Hager) gebaut. Nach der Ausstellung im Museu Diocesà in Barcelona ging das gesamte Ensemble als Schenkung der Innsbrucker Universität an die Gemeinde Colónia Güell. Dort hat es seinen endgültigen Platz im neu eingerichteten Museum gefunden. Die anspruchsvolle, großzügige Ausstellung nimmt das komplette Obergeschoss ein. Hier wird dem Besucher anschaulich vor Augen geführt, welch einzigartiges, faszinierendes Kirchengebäude sich über der benachbarten Krypta als Stadtkrone der Colónia Güell erhoben hätte.
In der Sagrada Familia ist die Rekonstruktion von Gaudís Hängemodell ausgestellt. Diese Rekonstruktion ist unter Leitung von Rainer Graefe an Frei Ottos Stuttgarter Forschungsinstitut gebaut worden (Abb. 4). Damit hat schon in den 1980er Jahren die Auseinandersetzung mit Gaudís zweitem Kirchenentwurf begonnen. Seit kurzem ist das Hängemodell in der Sagrada Familia im eigenen Saal mit neu konzipierter Ausstellung zu sehen.
Zwei korrespondierende Ausstellungen also zu Gaudís zweiter Kirche. Dazu erscheint im kommenden Jahr die Buchveröffentlichung, welche den rekonstruierten Kirchenentwurf ganzheitlich und in allen wichtigen Details vorstellt und interpretiert.
(Christoph Hölz)