„Auch heuer hat die Jury wieder das hohe qualitätvolle Niveau der Einreichungen gelobt. Ich bin überzeugt davon, dass Auszeichnungen, wie der Marianne-Barcal-Preis, ein zusätzlicher Ansporn sind und motivieren. Mit insgesamt acht Einreichungen war das Interesse 2023 erneut sehr hoch“, erklärte Kulturstadträtin Mag.a Uschi Schwarzl, die die Preise Mitte Mai vergab.
Drei Preisträger
Nach eingehender Beratung hat sich die Jury einstimmig für die Vergabe des Preises an drei Wissenschafter entschieden:
Marcel Amoser - Innsbruck im Aufbruch. Studentische Proteste und soziale Bewegungen in den verlängerten 1960er-Jahren (Dissertation Geschichte): Diese Dissertation beschäftigt sich mit Protestkultur im außerparlamentarischen Raum auf der lokalen Ebene einer Universitätsstadt. Die Arbeit schließt eine Forschungslücke, da Tirol bzw. Innsbruck bislang in der international dynamischen Forschung zu Studierendenbewegungen als weißer Fleck auf der Landkarte zu gelten hatte. Im Hinblick auf die „Komplettierung“ eines stadt- bzw. regionalgeschichtlichen Forschungsfelds ergänzt die Arbeit die ebenso umfassende Studie von Andrea Sommerauer und Hannes Schlosser (Gründerzeiten. Soziale Angebote für Jugendliche in Innsbruck 1970– 1990, Innsbruck 2020), die wie Amoser das linksalternative Milieu in den Blick nimmt, aber insbesondere auf „progressive“ Sozialeinrichtungen und die Altersgruppe von 14 bis 21 Jahren fokussiert. Positiv zu betonen sind dar- über hinaus die kundige und überzeugende Einordnung des Untersuchungsgegenstands sowohl in die internationale, nationale bzw. regionale Forschungslandschaft als auch in empirischer Hinsicht in den damaligen größeren (gesellschafts-)politischen Kontext. Amoser verfügt über sprachliches und stilistisches Können, woraus sich eine hervorragende Lesbarkeit ergibt.
Tobias Leichter - How to negotiate your way out of the European Union. Linking historical institutionalism to the history of Brexit (Masterarbeit Politikwissenschaft: Europäische und internationale Politik): Leichters Masterarbeit ist eine äußerst umfangreiche Studie zum Brexit. Konkret werden jene Aktionen, Verhandlungen und Reaktionen der Konservativen Partei und der entsprechenden Regierungen analysiert, die mit Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen verbunden waren, die das Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU in besonderem Masse prägten und letztendlich zum britischen EU-Austritt geführt haben. Als Untersuchungsansatz wird dabei die Theorie des historischen (Neo)Institutionalismus herangezogen. Mit beeindruckender argumentativer Dichte und analytischer Schärfe werden die Entwicklungen des britischen Euroskeptizismus seit den 1980er Jahren rekonstruiert. Leichter identifiziert dabei Pfadabhängigkeiten, die den Brexit zwar nicht als unvermeidbar, auch nicht als „Unfall“, sondern als folgerichtige und somit wahrscheinliche Konsequenz identifizieren. Klar entlang integrationspolitischer „Meilensteine“ (Einheitliche Europäische Akte, Maastricht, Amsterdam etc.) gegliedert und sprachlich dargelegt, lässt die Arbeit in Sachen Plausibilität und Überzeugungskraft keine Wünsche offen.
Konrad Pölzl - Sagbares, Denkbares und Machbares im „Umweltmusterland“ Österreich. Eine Historische Diskursanalyse zum Umweltdiskurs im Vorfeld des EU-Beitritts Österreichs (Masterarbeit Geschichte): Pölzls in der Umweltgeschichte angesiedelte MA-Arbeit untersucht die medialen und politischen Debatten zu den miteinander verflochtenen Themen Atomenergie, Umweltschutz und Transitverkehr im Zeitraum von knapp sechs Monaten vor der österreichischen EU-Beitrittsabstimmung im Juni 1994 mit der Methodik der Historischen Diskursanalyse. Pölzl gelingt es dabei, die komplexen Zusammenhänge im Hinblick auf Vorgeschichte bzw. Aufstieg der drei Themen- bzw. Diskursstränge als politische Phänomene und ihre spezifische Indienstnahme durch Beitrittsbefürworter bzw. -gegnerinnen mittels sorgfältiger Argumentation zu strukturieren und in klarer Sprache zu erklären. In die Auswertung einbezogen wurden ausgewählte Printmedien, Sendungen im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen (Nachrichten, Magazine, Journale und Interviews), Reden im Nationalrat, aber auch Informationsbroschüren, Plakate und Inserate. Die interessant und flüssig geschriebene Arbeit überzeugt durch inhaltliche Akribie, Quellensättigung und äußerst reflektierte Methodik, deren Erkenntnischancen beiläufig überzeugend demonstriert werden
Die Jury 2023 setzte sich aus VertreterInnen der Stadt Innsbruck sowie der Universität Innsbruck zusammen.
Ein Erbe für die Wissenschaft
Der Preis wurde nach der ehemaligen Innsbrucker Gemeinderätin Marianne Barcal benannt. Sie vererbte ihr gesamtes Vermögen dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, das den Preis in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck ins Leben rief. Ziel ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs damit zu fördern. Insgesamt ist der Preis mit 6.000 Euro dotiert, dieser kann gesamt oder aufgeteilt vergeben werden. Ab 2025 wird das Preisgeld auf 10.000 Euro erhöht.
(Stadt Innsbruck)