Zwei Männer und eine Frau sprechen miteinander.

Forscher:innen am Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie haben Daten zu Mediation in Österreich erhoben.

Medi­a­ti­on: Geringe Nut­zung bei poten­zi­ell hohem Nut­zen

Seit nunmehr 20 Jahren gibt es in Österreich mit dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz einen rechtlichen Rahmen für Mediation in Zivilrechtssachen. Anlässlich des „Tages der Mediation“ am 18. Juni 2024 präsentiert die Universität Innsbruck erste Ergebnisse einer empirischen Studie zu Mediation in Österreich.

In Österreich wurde 2004 mit dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG) vergleichsweise früh ein rechtlicher Rahmen für Mediation in Zivilrechtssachen geschaffen. „Die gesetzlichen Regelungen sollen zur Qualitätssicherung von Mediation, einem international anerkannten Verfahren der konsensorientierten Konfliktlösung, beitragen“, erläutert Hemma Mayrhofer vom Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) der Universität Innsbruck. Bisher fehlte für Österreich allerdings systematisches Wissen über die Nachfrage und Akzeptanz von Mediation, über die Verfahrens- und Ergebnisqualität sowie die Wirksamkeit der Mediationen. Eine aktuell am IRKS durchgeführte KIRAS-Studie namens MEDIAS erhebt erstmals österreichweit empirische Daten dazu.

Repräsentative Befragung

Im Herbst 2023 befragten Mayrhofer und ihr Team 1.724 repräsentativ ausgewählte Personen über ihr Wissen zu und ihre Erfahrungen mit Mediation. Zusätzlich wurden 318 Mediator:innen, 223 Richter:innen und 171 Anwält:innen befragt. „Wir können klar erkennen, dass verschiedene Faktoren sozialer Ungleichheit mitbeeinflussen, ob Mediation bekannt ist und zur Konfliktlösung in Anspruch genommen wird“, sagt Mayrhofer. Die Daten zeigen, dass ungefähr die Hälfte der Menschen in Österreich weiß, was Mediation ist. „Andererseits kennt knapp jede zweite Person Mediation entweder eindeutig nicht oder es bestehen erhebliche Zweifel, ob diese Form der Konfliktlösung tatsächlich bekannt ist. Mediation wird umso eher gekannt, je älter die Befragten sind, je höher ihr Bildungsniveau ist und je mehr Einkommen sie haben. Zudem kennen Menschen in städtischen Gebieten Mediation tendenziell etwas häufiger als im ländlichen Raum.“ Alle Effekte sind statistisch signifikant, d.h., sie können auf die Bevölkerung Österreichs verallgemeinert werden.

Umgekehrt haben erst 4,7 % der Befragten selbst Mediation in einem Konfliktfall in Anspruch genommen, am höchsten ist dieser Anteil mit 6,7 % in der Altersgruppe zwischen 40 und 59 Jahren. Auch die Inanspruchnahme korreliert mit dem Bildungsniveau und dem Einkommen: Je höher ihre formale Bildung, desto eher haben die Befragten bereits Mediation in Anspruch genommen (2,8 % bei Befragten ohne, 8,6 % bei Befragten mit Matura). In multivariaten Analysen zeigt sich zugleich, dass die Höhe des Einkommens den größten Einfluss hat: „Unsere Ergebnisse lassen erkennen, dass insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen Mediation zur Konfliktlösung noch weniger kennen und nutzen.“

Zugangshürden zu Mediation

Sowohl die Bevölkerungsbefragung als auch die Befragung von Mediator:innen verweisen darauf, dass beim Zugang zu Mediation finanzielle Hürden bestehen. „Knapp zwei Drittel der Personen in Österreich, die Mediation kennen, sind der Auffassung, dass es sich viele Menschen finanziell nicht leisten könnten, bei einem Konflikt in Mediation zu gehen. Unter anderem nehmen jüngere Menschen und Befragte mit niedrigem Einkommen signifikant häufiger finanzielle Hürden für Mediation wahr“, betont die Soziologin. „Auch Mediator:innen nehmen das Problem wahr. Sie sehen überwiegend in zu wenigen finanziellen Fördermöglichkeiten für Mediation einen Grund für die geringe Nachfrage nach diesem Konfliktlösungsverfahren.“

Sich auf eine Mediation einzulassen, ist herausfordernd: Die Konfliktparteien müssen sich – etwa bei Streitigkeiten in der Familie, Scheidungen, Sorgerechtsfragen oder Erbschaftskonflikten, aber auch bei Arbeits- und Teamkonflikten – mit den Bedürfnissen und Interessen des Gegenübers auseinandersetzen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Dies wirkt sich auch hemmend auf die Nachfrage nach Mediation aus. Die befragten Mediator:innen nennen die fehlende Bereitschaft, sich mit dem Konflikt aktiv auseinanderzusetzen, als einen der Hauptgründe, warum eine Mediation nicht zustande kommt. „Wer eine breitere Nutzung von Mediation zur nachhaltigen Konfliktlösung erreichen will, sollte somit nicht nur deren Bekanntheit erhöhen und – zumindest für bestimmte Bevölkerungsgruppen – finanzielle Ressourcen bereitstellen, sondern auch auf einen individuellen und gesellschaftlichen Wandel des Umgangs mit Konflikten hinwirken“, resümiert Hemma Mayrhofer.

Beachtliches Lösungspotenzial

Insgesamt deuten die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung durchaus eine beachtliche Wirksamkeit dieses Konfliktlösungsverfahrens an: Nur 15,1 % der Befragten mit eigener Mediationserfahrung antworteten, dass es zu einem Abbruch bzw. zur Beendigung der Mediation ohne Lösung kam. Mit 48,5 % gab nahezu die Hälfte an, dass der Konflikt durch die Mediation ganz gelöst werden konnte. Weitere 31,5 % konnten den Konflikt dadurch teilweise lösen. Zudem machten 30,7% die Erfahrung, dass sich trotz nicht vollständiger Lösung des Konflikts die Beziehung zwischen den Konfliktparteien durch die Mediation verbesserte. Um die Wirkungen von Mediation – oder auch ein eventuelles Scheitern – noch besser zu verstehen, sucht das Forschungsprojekt aktuell Personen, die einen Konflikt mit Mediation zu lösen versucht haben und bereit sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die Kontaktadresse des Projekts: medias-irks@uibk.ac.at.

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